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gleiche Princip auch auf die electrische Beförderung anzuwenden, um durch die Erweiterung des Kreises für die Zugäng­lichkeit des Telegraphen den allgemeinen Verkehrsinteressen gebührende Rechnung zu tragen. Es bestehen aber einige we­sentliche Unterschiede zwischen der post- mässigen und zwischen der telegraphi­schen Beförderung. Bei der Post und zu­nächst bei der Briefpost bildet das Brief­paket, sei es grösser oder kleiner, die eigentlich zu manipulirende Einheit, und die Individualität des Briefes, wenn ich mich dieses Ausdruckes bedienen darf, tritt zumeist erst bei der Abgabe des Brie­fes an den Adressaten hervor. Selbst bei der Fahrpost werden die mehr oder we­niger zahlreichen Fahrpoststücke doch im­mer in einem Zuge gleichzeitig befördert. Bei der telegraphischen Beförderung aber tritt der individuelle Character des Tele- grammes, mit der successiven nach ein­ander stattfindenden Abfertigung und Be­förderung vom Momente der Aufgabe bis zur Abgabe als eigentliches Arbeits- und Abfertigungsobject hervor, so dass die Be­hauptung ziemlich richtig ist, wenn man sagt, dass hundertmal mehr Depeschen eben auch hundertmal so viel die Arbeits­kräfte und die Betriebsmittel in Anspruch nehmen. Es wäre aber ein grosser Miss­griff, wenn man die Schnelligkeit, die doch Hauptzweck und Hauptbedingung des te­legraphischen Verkehrs ist, der Billigkeit opfern würde. Ich erinnere hiebei, dass, als in Paris im Jahre 18S5 bei einer inter­nationalen Vereinbarung die Herabset­zung des Telegraphentarifes beschlossen worden ist, man die wegen der wachsen­den Anzahl der Depeschen befürchtete Beeinträchtigung der Schnelligkeit da­durch zu paralysiren suchte, dass man die Dringlichkeitsdepesche mit der doppelten Taxe erfunden hat. Der Speculant, der Geschäftsmann und überhaupt jeder, wel­

chem an der grösseren Schnelligkeit der Correspondenz gelegen war, wählte die Dringlichkeits-Depesche und zahlte die doppelte Taxe. Die Depesche mit einfa­cher Taxe ging langsamer, verfehlte den Zweck des Telegraphenwesens, nämlich die Schnelligkeit; die Dringlichkeitsdepe­sche dagegen mit doppelter Taxe war die bevorzugte, aber theurer als früher.

Dieses Beispiel war so grell, dass der begangene Missgriff selbst bald abgestellt werden musste.

Der einzige rationelle Weg, den man bei der Herabsetzung des Telegraphen­porto betreten kann, ist nur der, dass mit der Reduction, welche jedenfalls und unbestreitbar sehr wünschenswerth ist, gleichzeitig auch eine angemessene Ver­mehrung der Arbeitskräfte und Betriebs­mittel Hand in Hand geht.

Als man im Jahre 186S in Frank­reich eine bedeutende Reducirung des Te­legraphentarifsatzes vornahm, von wel­cher auch der Herr Vorredner erwähnte, war man so vorsichtig, zuerst einen Cre­dit von drei Millionen für die Verstär­kung des Telegraphennetzes auszuwerfen.

In der Schweiz, wo, wie ich glaube, dieser Gegenstand in zwei Sessionen der Bundesversammlung verhandelt worden ist, hat man im vorigen Jahre den für die­ses kleine Land grossen Mehrbetrag von 800.C00 Fcs. zur Verstärknng der Linien votirt, und nachdem diese gestanden sind, ist man mit Neujahr zur Herabsetznng des Tarifes geschritten.

Wie sieht es bei uns in Ossterreich aus?Hier haben wir seit den letzten fünf Jahren allmälig beinahe jedes Jahr die Meilenlänge um 300 bis 400 vermehrt, so dass wir gegenwärtig in den durch den Reichsrath vertretenen Königreichen und Ländern cineGesammtdrahtlänge von 4600 ärarischer und 1200 Eisenbahntelegra­phenmeilen besitzen.

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