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Sie schreiten. Ist es denn nicht der aus­gesprochene Wunsch aller Regierungen, deren Vertreter hier versammelt sind, den Frieden, diese kostbarste Bürgschaft einer besseren Zukunft zu erhalten und zu con- solidiren? Ich meinestheils kenne keine edlere Mission, als unausgesezt für dieses Ziel zu arbeiten. Wir können es nicht be­zweifeln, dass die Vervollkommnung und die Ausbreitung des telegraphischen Systems mächtige Hilfsmittel sind, um dazu zu ge­langen. Oder'nnte eswohl anders sein?

Es wird zwar an skeptischen Geistern nicht fehlen, die mir einwenden werden, dass der lange Frieden, dessen Europa sich erfreute, beinahe zur selben Zeit endete, wo Eisenbahnen und Telegraphen mit stau­nenswerter Schnelligkeit entstanden und sich verbreiteten, und wir seitdem in dem kurzen Zeiträume von zwölf Jahren drei blutige Kriege sich auf einander folgen sahen, während wir Zeugen eines Bürger­krieges auf der anderen Hemisphäre wa­ren, der seinesgleichen in der Geschichte nicht findet. Aber, frage ich Sie, wäre es wohl gerecht, in diesen bewunderungs­würdigen Errungenschaften des mensch­lichen Geistes die Ursache dieser Kriege zu suchen ?

Wäre es im Gegentheil nicht bes­ser, anzuerkennen, dass sie zur Milderung und Abkürzung von Calamitäten beige­tragen haben, die Europa erspart worden wären, wenn der lange, heute bedauerte Friedenszustand zur Verhütung dieser Ue- bel besser angewendet worden wäre? Freuen wir uns daher ohne Rückhalt der Fortschritte, welche die Communications- Erleichterungen der Civilisation verleihen. Sie sind nicht allein dem materiellen Wohl­stand und der intellectuellen Entwicklung von Nutzen, sie tragen auch hauptsächlich zur Aufrechthaltung der friedlichen Be­ziehungen zwischen denselben in wirksa­mer Weise bei. Insbesondere befördert der Telegraph, mit dem wir uns allein zu be­

schäftigen haben, Rathschläge derKlugheit und Mässigung, so lange es noch Zeit ist; er hindert überstürzte Handlungen, er be­seitigt Missverständnisse und belebt das Vertrauen jetzt oft in eben so viel Minuten, als man sonst Tage und Wochen dazu brauchte. Hat uns das letzte Jahr nicht ein frappantes Beispiel von der ausseror­dentlichen Nützlichkeit des Telegraphen während politischer Krisen geliefert? Man braucht sich nur die plötzliche Collision ins Gedächtniss zurückzurufen, welche die kaum verlöschte Kriegsfackel neuerdings anzuzünden drohte. Es ist dabei die Frage wohl erlaubt, ob die Cabinette, wenn sie dertelegraphischen Correspondenz beraubt gewesen wären, die Gefahr hätten be­schwören können? Brauche ich noch von dem ungeheuren Aufschwunge zu sprechen, den der Telegraph commerziellen Trans­actionen verleiht? Und ist diese grosse und unaufhörliche Thätigkeit nicht das be­ste Unterpfand für eine Zukunft des Frie­dens und des Glückes?

Sehen Sie darin ein würdiges Ziel der edelsten Bestrebungen, der intelligen­testen Studien und der ausdauerndsten An­strengungen. Ich beglückwünsche Sie im voraus, meine Herren, zu dessen Errei­chung beigetragen zu haben . u

Nach Schluss dieser mit Beifall auf­genommenen Ansprache ergriff der fran­zösische Delegirte, Herr Jagerschmidt, das Wort, um dem Reichskanzler in war­men Ausdrücken den Dank für die Ehre auszusprechen, welche er der Conferenz durch die persönliche Eröffnung der Sit­zungen erwiesen, und um denselben der zuvorkommenden Gesinnungzu versichern, die jedes Mitglied zu den Verhandlungen mitgebracht habe.

Nachdem sodann der k. k. Telegra­phendirektor Brunner v. Wattenwvl den Vorsitz übernommen hatte, wurde die Con­ferenz auf den 18. Juni 1868 um 11 U. V. vertagt. (Fortsetzung folgt.)