Akte 
"Meine Reise nach Ägypten" Carl Junker, 1847
Entstehung
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Umrungen von Kliepen , Booten und größeren Schiffenkommen wir in den Hafen . - Kaum angelangt , sorauften und balgten sich auch schon die Schiffer , mei-stentheils Mooren1 , um unsere Effecten . Nachdemdieselben an Bord waren stiegen wir auch in Ge-sellschaft des Herrn Schmiedegg aus , und manruderte uns ans Land . - Daselbst standen schonKamehle und andere Lastthiere , als Maulthiere ,Esel & bereit , die Bagage der Angekommenenin Empfang zu nehmen und dieselben zur Duane2zu transportiren . - Die Zollbeamten machten nichtviel Schwierigkeiten , wir bezahlten eine Bagatel-le und begaben uns von dem Kamehltreiber3 , deretwas italienisch verstand geführt auf den Haupt-platz von Alexandrien in das Hotel d ' EuropeDa wir deutsche4 waren so erregten wir dortnicht viel Simpathie , indem selten solche kommen ,und noch seltener solche viel verzehren . - Man gabuns jedoch ein Zimmer und sagte uns , daß dieTable d ' hote5 an einer Stunde bereit wäre . - ImZimmer erst erholte ich mich ein wenig von allendiesen Merkwürdigkeiten des Tages , und ich werde

jetzt zur Schilderung des Charakters der Stadtselbst schreiten .Alexandrien ist ziemlich groß und besitzt eine Men-ge meist sehr schmale Strassen . - Der Platz wo un-ser Hotel erbaut ist gehört unstreitig zu den schön-sten der Stadt , und er zeichnet sich noch dadurch aus ,daß beinahe sämmtliche Consulatshäuser sich hierbefinden . In den Strassen ist ungeheures Gewim-mel von Menschen , Kinder , Eseln , Kamehlen , Verkäufern & Letztere machen ein Geschrei6 , das man seineigenes Wort nicht versteht . - Man begegnet sehrviele Blinden , und da man immer reitet , so mußman ungemein acht geben keinen derselben zu be-schädigen . - Die Männer sind schön und gut geklei-det , die gemeine Klasse jedoch nur mit einem Hem -de bekleidet , sonst nackt , - die Weiber der bes-seren Klasse sind sehr elegant und reiten von einemSklaven 7 begleitet ein Maulthier ; die gemeinenhingegen haben ein langes blaues Hemd , einendito Schleier und meistens ein kleines Kind , wel-ches auf ihre Achsel reitet . - Als wir nun so unse-re Bemerkungen vom Fenster machten rufte man


  1. Das M-Wort gilt im heutigen Sprachgebrauch als rassistisch und wird nicht mehr verwendet. Der Begriff ist eine Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen, den es bereits seit dem 16. Jahrhundert gibt. Ab dem 19. Jahrhundert verfestigte sich die kolonial-rassistische Verwendung dieses Begriffs für schwarze Diener von weißen Menschen.

  2. Douane - Zoll

  3. Der Begriff beschreibt den Beruf des Kamelführers. Im heutigen Sprachgebrauch wird diese Bezeichnung allerdings häufig als rassistische Abwertung von Menschen aus den arabischen Ländern verwendet.

  4. Mit „Deutschen“ meint Junker Menschen aus dem deutschsprachigen Raum (den deutschen Nationalstaat gab es damals noch nicht). In mehreren Textpassagen im Reisetagebuch betont Junker die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft der Ägypter:innen gegenüber europäischen Gästen.

  5. [gemeinsame] Speisetafel im Hotel

  6. Auch in anderen Textpassagen des Reisetagebuchs wird die Lautstärke ("Geschrei") als charakteristische Eigenschaft der Ägypter:innen - mit einem abwertenden Unterton - angemerkt.

  7. Versklavung und Menschenhandel waren damals in Ägypten leider noch stark verbreitet. Zu verschiedenen Zeiten des 19. Jahrhunderts gab es in Ägypten mindestens 30.000 Sklaven:innen, wahrscheinlich sogar noch viel mehr. Knapp die Hälfte davon befand sich in Kairo. Weiße Sklaven:innen wurden während des griechischen Krieges (1822-1827) aus Griechenland, sonst vor allem von der Ostküste des Schwarzen Meeres nach Ägypten verschleppt. Schwarze Sklaven:innen stammten aus Westen Darfurs und aus dem Sennar in Sudan, sowie aus den Sultanaten Bornu und Waday. Fast alle Schichten der ägyptischen Gesellschaft setzten schwarze Sklaven:innen als Hausangestellte ein. Schwarze Männer wurden von den ägyptischen Herrschern als Soldaten und als Landarbeiter auf den Farmen der Familie Muḥammad Ali und anderswo in Oberägypten und in Zeiten des Wohlstands und Arbeitskräftemangels auch in Unterägypten eingesetzt. Die Sklaven:innen arbeiteten vor allem auf Zuckerplantagen in Oberägypten, in der Bewässerung vor allem in der Esna-Provinz (Oberägypten) sowie auf Baumwoll-Plantagen in Unterägypten. Mit der Anglo-Egyptian Slave Trade Convention bzw. Anglo-Egyptian Convention for the Abolition of Slavery wurde 1877 der Sklavenhandel mit dem Sudan offiziell verboten und damit der Import von Sklaven aus dem Sudan formal beendet. Diesem Verbot folgte 1884 ein Verbot des Imports weißer Frauen, vor allem aus dem Kaukasus.