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Frauen und die Oesterreicherinnen erkennen lernen, wie weit sie nicht nur hinter den Amerikanerinnen, sondern auch hinter den Schwedinnen, Engländerinnen und Russinnen auf volkswirthschaftlichem Gebiete zurück sind. Frau Mathilde Weber hat in ihrem Buche über den ärztlichen Beruf der F'rau: »Aerztinnen, eine ethische und sanitäre Nothwendigkeit«, so unwiderlegbar dargethan, dass der weibliche Arzt ein Segen wäre, dass diesem Buche nichts zuzufügen ist. Diese Frau verwaltet in Württemberg einen Fond von 200,000 fl., dessen Zinserträgniss zu Studienzwecken für weibliche Aerzte verwendet wird.

Wir sind über die Ziele der I'rauen und auch ihre Erfolge und Misserfolge bestens unterrichtet; in zahlreichen Büchern, Flugschriften und Vorträgen haben Männer und Frauen in ausgezeichneter Weise die Frauenrechte vertheidigt, so dass ausser stets willkommenen Specialberichten so ziemlich Alles Wiederholung ist, was in der Sache gesagt werden kann. Es drängt sich so die F'rage auf, ob wir wohl deshalb schweigen sollen. Ich glaube nein. Denn gerade in dieser Antheilnahme liegt etwas unendlich Ermunterndes, etwas, das auffordert, durch die noch wider­strebende Tagesmeinung uns nicht entmuthigen zu lassen, sondern nicht zu ruhen, bis wir auch die Menge überzeugt haben.

Als ich vor 22 Jahren die Forderung nach Mittelschulen für Mädchen aussprach und meiner Ueberzeugung Ausdruck gab, dass der Frau alle Berufszweige offen sein müssten, zu welchen sie sich befähigt fühlt und befähigt ist, da war meine Forderung in Oesterreich neu, ich stand allein, ich konnte zweifeln. Heute kämpfe ich nicht mehr allein, ein kleiner, aber überzeugter Kreis Gleichgesinnter kämpft mit mir. Ja wir, die wir dem Vereine für erweiterte Frauenbildung angehören, sind sogar in Einigem überholt. Ich meine damit die politische Seite der Frauenfrage. Ich möchte die Frau nicht in die Arena eintreten sehen, so lange die geschulte, auf der Höhe der Zeit stehende F'rau zu den Ausnahmen gehört. Krankt doch unser politisches Leben nur allzusehr an dem Mangel an politisch tüchtigen Männern, so dass ich es fast als einen Gewinn betrachte, dass heute und in Oesterreich den Frauen nur der Antheil an den Angelegenheiten ihres Volkes wird, als Zuschauerinnen zu beobachten, und als solche zu beobachten, wie man es machen soll oder auch nicht machen sollte.

Was ich für uns Frauen anstrebe, das ist zunächst erhöhte Bildung. Nicht Jeder begreift darunter dasselbe. Ich meine eine Gemüthsbildung, welche uns in jedem Menschen den Nächsten erkennen lässt, eine Verstandesbildung, welche uns ein richtiges Bild von Natur und Menschen und von den Wechsel­beziehungen derselben gibt, und ein technisches Können nach Wahl und Begabung, das wir für uns und Andere verwerthen können. Man sollte meinen, diese Forderung könne nicht auf Widerstand stossen. Und doch! Besonders das technische Können wird bekämpft, die Fachbildung, welche der Frau den Wettbewerb mit dem Manne ermöglichen würde. Man will es nicht ins Auge fassen, dass die grössere Hälfte der Staatsangehörigen, bei ganz gleicher Rechtsverbindlichkeit, bei ganz gleicher Steuerschuldigkeit, von allen höheren Lehranstalten, von allen einträglichen Berufen nur Künstlerinnen machen Ausnahmen von allen höheren Aemtern, von allem Einfluss auf Verwaltung und Gesetzgebung ausgeschlossen ist; wollte man diese dem Rechtsgefühle hohnsprechende Verkürzung der F'rau unbefangenen Blickes ins Auge fassen, man müsste die stets aufs neue entgegen gehaltene Ausflucht fallen lassen, dass man der Arbeitssphäre der F'rau nur darum die Schranken ziehe, weil man ihre sittliche Kraft, ihr Gefühls- und Geistesleben allein der F'amilie erhalten wolle.