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des gebildeten unbemittelten Mädchens, für ihr fruchtloses Ringen, auf ehrenhafte Weise Brot und den entsprechenden Wirkungskreis zu erringen?

Die Bibel erzählt ein Gleichniss, welches die Maler vielfach zum Bilde ver- werthet haben, die Geschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus. Alle Sympathien hat der arme, zerlumpte, hässliche Bettler. Der reiche Mann in seinem Prunkgewande wirkt beinahe abschreckend, das Gefühl verletzend. Man wird in dem Anblicke beinahe dem Reichthume gram, und doch ist Reichthum Segen und wird nur in Verbindung mit so brutalem Egoismus zur herausfordernden Macht, der alle Armuth nothwendig den Krieg erklären muss. Des reichen Prassers und des armen Lazarus muss ich so oft gedenken, als ich elegante Weltdamen oder behäbige Bürgers­frauen in ihrem unbegründeten Hochmuth, in ihrer gnädigen Herablassung und mit ihrem zugeknöpften Herzen gegenüber der Erwerb suchenden Frau sehe. Und doch, wer wäre mehr als die Frau berufen, der Mitschwester hilfreich die Hand zu reichen, die Kluft zw'ischen Ueberfluss und Dürftigkeit zu überbrücken, die Liebe walten zu lassen! Ob wir Frauen die socialen Gegensätze mildern könnten, wer weiss es? aber ich weiss, dass wir unendlich viel Elend mildern könnten. Wir Frauen könnten, wären wir nur fest aneinandergereiht und zielbewusst, vielen Frauen, welche in er­zwungener Thatenlosigkeit vergrämen und ihr Leben fristen, die Bahn zu Wirken und Erfolg eröffnen, denn täuschen wir uns nicht, wir selber tragen die Schuld, dass nun, wo die Hörigkeit von dem tiefstehenden Manne, wenigstens dem Buchstaben nach, genommen ist, die Frau noch soweit darin steckt, dass sie über ihr eigenes Kind so viel wie kein Recht hat, und dass ihr das Recht am Unterrichte vorenthalten wird.

Aber was ist es, das die Mutter auf so heilige Rechte freiwillig verzichten lässt, das die Frau willig in politischer, socialer und wirthschaftlicher Nichtigkeit er­hält? Entspringt diese Apathie der Furcht vor dem Manne, dem Gefühl der Ohn­macht, oder einem Mangel an Gemüth und Verstand?

Vielleicht beantwortet eine Begebenheit aus meinem .Leben diese Frage. Es ist lange her, dass ich sie erlebte. Ich war damals jung. Denken Sie sich ein heim­liches, friedliches Nest im Gebirge, im Winter ganz abgeschieden von allem, was man Welt nennt. Der Mann mit seinem Berufe vollauf beschäftigt, die Frau nur dem Manne und den Kindern und was darauf Bezug hat lebend. Denken Sie sich das ganze Heimwesen auf Gegenseitigkeit gestellt und in dem Reichthum seines Daseins unbekümmert um, und unbekannt mit der Aussenwelt. Wer dächte da an Frauen­arbeit für den Markt! Es bedurfte des Weckrufes einer Freundin, welche Rath und Hilfe zu suchen kam. Der amerikanische Sklavenkrieg, der auch in Oesterreich eine verheerende Krise in der Baumwollindustrie heraufbeschworen, hatte den kränk­lichen Mann meiner jungen Freundin um sein bedeutendes Vermögen gebracht. Der Mann war zu krank, um eine neue Erwerbsquelle' suchen zu können, nun trat an die Frau die Aufgabe heran, für ihren Unterhalt und den ihres Mannes und ihrer Kinder zu sorgen. Ich werde die Stunde niemals vergessen, die ich damals mit meiner jungen Freundin verlebte. Die F'rau war sehr begabt, äusserst talentvoll, sehr fein erzogen, trotz alles Sinnens und Denkens konnten wir aber für sie keinen Erwerbszweig aus­findig machen, der ihre Familie hätte nur leidlich ernähren können. Die arme Frau verliess mich in dem Bewusstsein, nur durch die Wohlthaten ihrer näheren und fer­neren Anverwandten und Freunde in Zukunft den Unterhalt finden zu können. Als ich sie gehen sah, eine Bettlerin, zum Betteln für alle Zukunft verdammt, trotz aller Begabung und aller sogenannten guten Erziehung, überfiel mich ein unbeschreibliches