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Meine liebe, hochanselinliche Zuhörerschaft!

Geehrte Frauen, ehrenwerthe Herren!

Die Letzteren besonders ehrenwerth, weil sie hieher zu Ihren vorgeblichen »Feindinnen» gekommen sind, zu den sogenannten »Frauenrechtlerinnen«. So hat nämlich Sie, die Frauen vom Vereine »für erweiterte Frauenbildung« und anderen ähnlichen Frauen-Vereinen, das, jedenfalls noch mehr energische als gedankenreiche, Fräulein Dworzak, die moralische und schriftstellerische Fahnenträgerin der Wiener Reform-Arbeiterinnen, jüngst in einer Versammlung derselben genannt.

Fräulein Dworzak wollte hiemit einen vorgeblich schlagenden Gegensatz zwischen den Reform-Arbeiterinnen (Socialistinnen) und den Frauen, die ihre natür­lichen Rechte anstreben, den »Frauenrechtlerinnen«, bezeichnen.

Die Letzteren sollen nämlich, wie das genannte Fräulein behauptet, den Kampf gegen die Männer wollen, d. i. den Kampf um das Dasein gegen die Männer. Die Ersteren, die Arbeiterinnen, wollen hingegen den Kampf mit (im Vereine mit) den Männern zu socialdemokratischen Zwecken!

Nun, wir werden vielleicht noch heute, später, oder ein anderes Mal Ge­legenheit haben, diesen sogenannten Kampf zu beleuchten, welchen die »Frauenrecht­lerinnen«, d. s. die gebildeteren, die nicht socialdemokratischen Vorkämpferinnen für Frauenbildung, Frauenfortschritt und Frauenrecht, mit einem Worte die »Bourgeois- Frauen« der Socialistinnen, vorgeblich gegen die Männer führen.

Zunächst will ich hier jedoch die eigentliche Veranlassung, die Genesis der heutigen Vorlesung besprechen

Diese Veranlassung ist in erster Linie eine ganz subjective, eine pro domo. Sie ist eine Herbstblume, ersprossen auf einem, wohl sich bald wölbenden Grabes­hügel, auf dem meinigen! Vergönnen Sie mir dies zu erklären.

Als ich vor wenigen Wochen meinen, Anfangs Mai fallenden 72. Geburtstag heranrücken sah, nachdem ich fast zwei Jahre körperlich verhindert war, irgendwie lehrend in der Oeftentlichkeit wirken zu können, nahm ich mir vor, wenn mich der Welten-Herr den obgenannten Tag erleben Hesse, im selben Monate noch einmal zu einer grösseren Menge meiner Mitbürger zu sprechen, und zwar von einer jener Fragen, die mich mein Lebelang beschäftigt haben.

Ich hatte nun unter diesen zu wählen zwischen Fragen, welche eine grössere, besonders gegen gewisse Kreise gerichtete Kampfesmuthigkeit erheischen und dadurch wahrscheinlich allerlei Streit und Gegenreden wieder herbeigeführt hätten, und solchen, die dies kaum thuen könnten.

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