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wusste, so viele menschliche Gehirne ich auch gesehen, nie hatte ich einen auch nur annähernd wesentlichen und leicht zu erfassenden Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Gehirne finden können.

Da sprach die Natur nochmals zu mir mit strengem Blicke: »Sieh nur genau her, und sage, welches Hirn ist des Weibes, welches des Mannes?«

Ich vermuthete nun in diesem neuerlichen Zurufe der Natur eine Art geheimer Drohung, als würde ich nicht zugeben wollen, dass die Natur wirklich zweierlei Ge­hirne, männliche und weibliche, geschaffen habe, und könne mich deshalb nicht ent­scheiden. Ich schaute nun auf, noch immer stumm. Da entsann ich mich, dass in einem Orte in Deutschland, von welchem vor.20 Jahren, 1872, der erste Krieg gegen die Befähigung des Weibes, auf Grundlage vorgeblicher Gehirnunterschiede zwischen Mann und Frau, ausgegangen war, dass aus derselben Stadt am Isarstrande, die sich rühmt, Kunst und Wissenschaft in gleicher Weise zu pflegen, wiederum in jüngster Zeit, 1890, von sogenannten Jüngern jener Münchener Schule (unter Anderen auch von einem Österreicher, Dr. Rohon, und Anderen) neuerliche Versuche gemacht worden waren, darzuthun, dass das weibliche Gehirn im Vergleiche zum männlichen doch ein inferiores, in vielen Beziehungen minderwerthig ausge­stattetes ist.

Da ich nun mich nicht für unfehlbar hielt, Menschen sind ja niemals unfehlbar, nicht einmal gewisse Römer, die sich dafür halten! ging ich in mich und dachte: ich werde einmal meine eigene Erfahrung ignoriren und jenes Wissen verwenden, das ich den neuen Münchner Berichten entnommen hatte, und wies auf das Gehirn zur linken Seite der Natur als auf das weibliche.

Denn, ich wills gestehen, ein echter »Männling«,'wie ich ja doch als Menschling es war, dachte ich: es werde wohl der Mann, als das physisch jedenfalls bevorzugtere Wesen, zur rechten und das Weib zur linken Seite der Natur placirt sein!

Im selben Augenblicke aber, wo ich meinen Zeigefinger gegen links ausstreckend »Weib« rief, ertönte ein donnerähnliches Geräusch; die ganze Halle erzitterte, ich blickte scheu nieder und dann voll Angst wieder auf, und an der Stelle des linken Gehirnes, auf das ich als weibliches hingewiesen, stand ein wunderbar schöner Mann, weit schöner als der Apoll vom Belvedere; ober ihm zitterte eine Orifiamme, beleuchtend das Wort: »Adam«!

An der Stelle der Krystallschale auf der rechten Seite der Natur hingegen, deren Hirn ich, nach meiner früheren Bestimmung des linken als weibliches, somit als ein männliches bezeichnet hatte, stand, in schämiger Herrlichkeit, ein liebliches und doch hehres Weib, mit der Flammenschrift ober ihrem, von längstem Goldhaar umflutheten Flaupte: »Eva«!

»Was Du, Menschling, hier gesehen und gelernt« sprach nun mit energischem Stimmfalle die Natur, »geh hin und verkünde es!« »Du hast auf Erden von mannig­facher Seite gehört, das Weibes-Gehirn sei vom Mannes-Gehirn sehr verschieden und wichtige Konsequenzen sind hieraus für das Weib auf Erden erwachsen. Gehe nun, berichte von dem, was Du hier im Gegensätze erfahren hast!«

Da noch ein Donnerschlag, ich erwachte. -

Ich hatte meine Autgabe gefunden, die ich noch in jenem Mond mir zu lösen fest vorgenommen.

Es war dies dazu eine Aufgabe, die ich schon vor vielen Jahren mir wiederholt gesetzt. Im Jahre 1872 war es zuerst, dass ich über das Weib, von einem Forum

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