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der Naturwissenschaft aus, von dem Katheder der von mir bekleideten Lehrkanzel der Zootomie (vergleichenden Anatomie) an der Wiener Universität, sprach.

Im Jahre 187(i war es dann zum 2. Male, und 1878 habe ich, als Resume beider Vorlesungen (der von 1872 und 1876) eine Schrift veröffentlicht, welche den Titel führt: »Einiges über das Gehirn der Wirbelthiere mit besonderer Berücksichtigung jenes der Frau, mit, den Gehirnbau erläuternden Figuren«. Dieser, in den Schriften des »Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt­nisse in Wien« 1878, veröffentlichten umfangreichen Darstellung, liess ich 5 Jahre später, 1883, einen Aufsatz in der Monatsschrift »Auf der Höhe«, Leipzig, Jänner 1883, folgen, unter dem Titel: »Frauenhirn, Frauen seele, Frauenrecht«.

Ich hatte mithin sowohl ein gewisses chronologisches als litterarisches Recht, bei der mir im Traum zugewiesenen Aufgabe zu bleiben.

Für den Ort, diese Aufgabe zu lösen, ergab sich bald eine passende Gelegen­heit. Es kam nämlich Frau Bosshardt, die ehrenwerthe Präsidentin des Vereines für erweiterte P'rauenbildung, zu mir. Ihr sprach ich dann von der Absicht, noch in diesem Monate (Mai), vom »Frauenhirn« öffentlich zu meinen Mitbürgern beiderlei Geschlechtes reden zu wollen, und diese Dame forderte mich auf, dies in ihrem Vereine zu thun.

So erscheine ich denn in Ihrer Mitte, in einem hoffentlich der Sache und mir freundlichen Kreise und werde, soweit die sehr kurz zugemessene Zeit reicht, zunächst den Gegenstand besprechen, von dem ich Ihnen im Traumberichte erzählt, vom Frauen­hirne, dieses als Grundlage benützend, um meinem im Titel angekündigten Vorhaben näher zu kommen.

Bevor ich jedoch in medias res gehe, fühle ich mich unwillkürlich veranlasst ein Wort über mehrere Briefe zu sagen, die ich bezüglich dieser heutigen Vorlesung empfangen habe und in welchen mir über die Art des Vortrages allerlei Grundsätz­liches empfohlen wird.

In dem einen dieser, durchwegs von F'rauenhänden herrührenden Briefe, ersucht man mich, ja nicht länger als eine Stunde zu sprechen. Es wurde hinzugefügt, ich möge für diese Vorlesung den alten Spruch Luthers beherzigen: »Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör' bald auf!«

Diesem »tritt fest auf« contradictorisch entgegengesetzt lautete ein zweiter Rath: »Treten Sie ja nicht zu fest auf, damit Sie Niemand provociren! seien Sie hübsch artig und fein, denken Sie, dass Sie ein alter ruhebedürftiger Mann sind und scheuen Sie den Kampf mit den stets im Finstern wühlenden, Ihnen wohlbekannten Leuten, welche Sie schon genug geschädigt haben«.

Ein dritter Rath kam aus meinem engsten häuslichen Kreise. »Ich solle ja nichts Schlimmes von den Frauen erzählen, sonst glaube alle Welt* ich hätte trübe Erfahrungen in domo gemacht.«

Da hatte ich also schon drei Directiven für meine Vorlesung.

Es hätte mir nur noch ein Mann schreiben sollen: »Unterstehen Sie sich ja nicht, viel Gutes von den Weibern zu sprechen, denn sonst werden Sie von . uns aus­gezischt !«

Nun, einem solchen vierfachen Rathe gegenüber, thut ein Mann von Ueber- zeugung Folgendes: er hört auf gar keinen, folgt ausschliesslich seinem Wahrheits­triebe, folgt dem, was ihn begeistert, folgt dem, wozu ihn der Schöpfer in dem Augen­blicke bestimmt hat, in welchem er spricht.