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Ich spreche zu Frauen von Frauen; ich spreche zu Männern von Frauen.

Es ist nicht leicht, Beiden zugleich Genüge zu leisten. Indem icn nun weiter erwäge, dass ich doch vorherrschend auf ein Frauen-Publicum wirken möchte, fällt mir sogleich eine Frage ein, welche von Frauen an Männer, in ernsten Stunden fast immer, besonders wenn die Männer Naturforscher sind, gestellt wird, eine Frage, welche am treffendsten G ö t h e, in unvergleichlich wahrerund erhabener Weise, in seines Fausts erstem Theile, als Gespräch zwischen Faust und Gretchen, formulirt hat. Ich erlaube mir, die betreffende Stelle zu lesen.

Gretchen, die kindlich gläubige, von ihrem Glauben hold und naiv beseeligte, jedoch wissensarme Jungfrau frägt den heissgeliebten, gelehrten Mann, Heinrich Faust's, der ihr aber in dieser Beziehung etwas verdächtig vorkömmt:

Margarethe: Versprich mir, Heinrich!

Faustr Was ich kann.

Margarethe: Nun sage, wie hältst Dus mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaube, Du hältst nicht viel davon!

Faust: Lass das, mein Kind, Du fühlst, ich bin Dir gut. Für meine Lieben liess ich Leib und Blut; will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.

Margarethe: Das ist nicht recht, man muss daran glauben!

Faust: Muss man ?!

Margarethe: Ach wenn ich etwas auf Dich könnte! Du ehrst auch nicht die heiligen Sacramente!

Faust: Ich ehre sie.

Margarethe: Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist Du lange nicht gegangen.

Und jetzt, meine Damen, kömmt der Hauptschlag, wie ihn nur ein Mann voll echter, durch begeisterte Naturanschauung ganz allein möglicher Religiosität, Göthe. führen konnte.

Margarethe: Glaubst Du an Gott?

So einfältig das Gretchen auch ist, so fühlt sie doch, dass die Grundlage der Religion nicht wesentlich »die Sacramente«. nicht »die Messe« seien; der Glaube an Gott ist es ganz allein. Wer nun überhaupt mit Frauen über Ernstes .spricht, muss in dieser Beziehung Farbe bekennen, wenn er ihr Vertrauen gewinnen will.

Ich bekenne Farbe : ich bin der entschiedenste Deist, der auf Erden nur möglich. Ich habe das einzige w r ahre Glück in meinem Leben, besonders werthvoll in höherem Alter, darin erfunden, dass ich mit derartiger Liebe an dem Schöpfer der Welten und ihrer Wunder zu hängen vermag, wie sie, diese Liebe, allein den Menschen Tag und Nacht und in allen Lagen des Lebens zu beleben, zu trösten und aufzurichten vermag.

Wessen Lebensaufgabe es ist, mit dem Mikroskope ausgerüstet Alles, was da Lebendiges existirt, wissenschaftlich zu untersuchen, kommt zu jener Lebens- und Welt­anschauung, zu der einst ein grosser holländischer Anatom, der grösste seiner Zeit, Swammerdam, gekommen und von dem ich später einige, ihn und meine An­schauung bezeichnenden Aeusserungen hier vorlesen will.

Ich habe diese Swammerdam'schen Aeusserungen schon vor einigen Jahren mit- getheilt, in einer kleinen Untersuchung von mir über Thiere, die man in guter Gesellschaft kaum nennen darf, nämlich über die Läuse. Diese, wie jene Thiere, die mich eben jetzt sehr angelegentlich beschäftigen und meist die Gefährten jener sind,