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die Flöhe, die man bekanntlich auch nicht vor »keuschen Ohren« nennen darf, zeigen unter dem Mikroskope, als, ich möchte sagen stille Geheimnisse der Natur, eine Schönheit der Formen und architektonische Wunder des Baues, welche über alle Beschreibung genial und herrlich sind, wenn anders ein Menschenkind über­haupt von Gottes Werken diese Worte gebrauchen darf.

Eine Vorjahren, 1876, in der Wiener medicinischen Wochenschrift erschienene Abhandlung über die »menschlichen Läuse« begann ich mit den Worten:

»Der grösste Anatom des 17. Jahrhunderts, der für alle Zeiten sowohl durch die Art als durch die Resultate seiner Arbeiten unsterbliche Jakob Dürk oder Dittrichsohn, nach seinem Geburtsorte Swammerdam genannt (1607 geboren) hat ein Buch veröffentlicht, von dem Sie, geehrte Anwesende, vielleicht schon einmal gehört haben; es heisst: »Die Bibel der Natur«, Bibiion naturae. In diesem Buche sind alle anatomischen Abhandlungen, die Swammerdam geschrieben, gesammelt.

Jene dieser Abhandlungen über die »Laus der Menschen«, *) die erste grössere und fast die beste, die je über diesen Gegenstand publicirt wurde, hat S. dem damaligen Gesandten Frankreichs in der freien Stadt Genua, Herrn Thevenot gewidmet. Damals haben die Gesandten grosser Staaten noch anderartige Dedicationen angenommen, wie heutzutage; jetzt würde der Unterbreiter einer, einem Gesandten gewidmeten Ab­handlung »über die Läuse« einfach die Treppe hinabgewiesen.

Swammerdam hat aber jenem Gesandten folgende Worte als Dedications- Einleitung zugerufen, aus denen Sie, meine lieben Zuhörer, ersehen können, wie ein Naturforscher Gott lieben kann und muss, wenn er dessen »kleinste« W T erke mit En­thusiasmus studiert.

»Ich stelle hiemit Euer Hochedlen in der Zergliederung einer Laus den all­mächtigen Finger Gottes vor Augen. Sie werden in derselben mit Wunder angehäufte Wunder erblicken und in einem kleinen Punkte die Weisheit Gottes deutlich erkennen.«

Zum Schlüsse dieser in vielen Stücken noch heute unübertroffenen Laus- Anatomie ruft Swammerdam weiter aus: »Ich gebe Euer Hochedlen zu bedenken, ob der Zufall oder Zufälligkeiten auch nur einigen Antheil haben an dem

künstlichen Bau dieses kleinen Punktes der grossen Welt, in welcher so viele und so

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verschiedene Wunder die Allmacht Gottes mit lauter Stimme preisen«.

Diese treffenden Worte bezeichnen die ganze Breite der Kluft zwischen jenen Leuten, die, von ihrem irrlichterirenden Verstände hin und her geworfen, vermeinen, an Gott nicht glauben zu können und stets ausrufen: »die Natur hat es so ge­macht«, und Jenen, die diesen Rationalisten? immerfort Zurufen: »wer hat denn diese euere Natur gemacht?« Hierauf Schweigen Jener als Antwort, oder: »Die Natur hat sich selbst gemacht«, eine complet verrückte Antwort, da sie alle irdische Logik über den Haufen wirft.

Swammerdam hingegen sagt ausdrücklich, »dass nicht das Kleinste der Zufall gemacht'hat« und fährt fort: »Ich beschliesse hiermit diese Abhandlung und be­wundere standhaft die Wunder der Natur als eine aufgeschlagene Bibel, die überall auf Gottes ewigen Ursprung zurückweist«.

So denkt und spricht nun einer der allerexactesten Naturforscher, die jemals gelebt baben.

*) In der von Iloerhave besorgten deutschen Ausgabe der M. sehenBibel der Natur", Leipzig, 17.V2, Fol. S. 30 u^ t'.