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ziehe aus meinen Zwillingen keine schlagenden Geschlechts-Unterschiedsschlüsse, aber ich kann keinesfalls zugeben, dass jemand Anderer aus einem einzigen Zwillings­paare solche ä la Riidinger zieht«.

Aus diesem Eberstallerschen Fall kann man aber so recht ersehen, mit welchen anatomischen Beweisen selbst die gelehrten Feinde des Frauenstudiums (Bischoff und Consortes) kämpfen, und mit welchem Rechte!

Nun kann man aber weiter auch leicht nachweisen, und ich habe dies in meiner Schrift vom Jahre 1878 durch statistische Daten und Zahlen eingehend und schlagend gethan, dass Nichts, was am Gehirne äusserlich zu sehen ist, Nichts, was als dessen Form, Oberfläche, Grösse bezeichnet wird, weder dessen Gewicht noch dessen Dimensionen, irgendwie entscheidend sind, für die unfehlbare Beur- theilung des geistigen Werthes, also der intellectuellen Bedeutung eines Gehirns. Es kann, wie ich dies auch in meiner Schrift vom Jahre 1883: »Frauenhirn, F'rauenseele und Frauenrecht«, nachdrücklichst hervorgehoben habe, ein schweres und grosses Ge­hirn ein intellectuell sehr wenig leistendes sein und hingegen ein leichtes kleines sehr bedeutende geistige Arbeit verrichten.

Wenn also auch alle weiblichen Gehirne wirklich kleiner, leichter, umfangs­geringer, windungsärmer wären als die männlichen, was sie aber durchaus nicht alle sind, so resultirte aus diesen Verhältnissen noch nicht entfernt die von Bischoff und Anderen behauptete geistige Inferiorität des W e i b e s !

Ein kleines, leichtes Gehirn kann ein für Geistesarbeit vortrefflich entwickeltes, und hingegen ein grosses schweres ein geistig inferiores sein, und zwar dies aus folgendem, ganz u nzurück weisbarem Grunde, der jedoch zu seinem Verständniss eine etwas weitläufigere Exposition verlangt. Ich lasse sie hier folgen.

Jedes menschliche und Säuger-Gehirn, wie leicht an jedem frischen Schweins­hirne ersichtlich, zeigt, wenn die Gehirnhäutchen abgezogen J ) und ein ausgiebiger Querschnitt gemacht ist, zwei der Farbe nach völlig verschiedenen Substanzen: eine rosig-graue und eine blendend weisse.

An Spiritus-Gehirnen kann man dies meist nicht mehr gut sehen, weil der Spiritus die grauen Gehirntheile bleicht, aber z. B. an diesem heute secirten Menschen­hirne sehen Sie, meine Damen, diesen Farbenunterschied der Gehirnsubstanzen sehr deutlich. Die graue oder R i n d e n Substanz ist die oberflächliche; sie bildet die Rinde des Gehirns. Ihr folgt im Innern des Gehirns die weisse Mark Substanz. Man lehrt daher: im Wesentlichen besteht ein Säugethier- und Menschen-Gehirn aus zwei Sub­stanzen, der grauen oder Ri n den- und der weissen oder M arksub s tanz. Auch im Innern des Marktheiles finden sich hier und da graue Inseln: das Kern-Grau.

Nun wollen Sie sich bezüglich des Werthes und des feineren Baues dieser Gehirnsubstanzen Nachfolgendes wohl einprägen. Die graue Gehirnmasse ist die einzig und allein massgebende sowohl für alle Aufgaben des Gehirns, als ganz besonders für die intellectuelle Bedeutung desselben, für dessen Geistesarbeit im weitesten Sinne des Wortes; sie allein ist das einzige und wahre »Seelen­organ«.

Die weisse Gehirnsubstanz hingegen hat eine weit untergeordnetere, obgleich

*) Die in der Küche verwendeten Tliicrliirno ("Schwein und Kalb) müssen bekanntlich vor weiterer Zubereitung von der Köchinabgehäutelt werden.