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»am allerwenigsten zu solchen, für Unterschiede von Männer- und »Frauenhirnen zu verwerthen sind.«

Ein Hauptsatz meines Resumes zur Widerlegung der vorgebrachten Bedenken über Kleine, Leichtigkeit etc. der Frauenhirne ist folgender: »Die anatomische Er- »fahrung lehrt, dass Menschen mit grossen, schweren, und solche mit kleinen, leichten »Gehirnen Bedeutendes in Geistesarbeit geleistet haben. Man ist mithin nicht berech- »tigt, weder aus dem Gewichte, noch aus der Oberflächengrösse eines Gehirnes, einen »irgend sicheren Schluss auf dessen geistige Leistungsfähigkeit zu ziehen. »Man ist also auch durchaus nicht berechtigt, selbst, wenn überall ein sicheres »grösseres Percent leichterer Frauen- als Männerhirne, bei neuerlichen grossen- »gungsreihen, sich heraussteilen sollte, deshalb den Frauenhirnen eine geringere »geistige Leistungs- und Fortschrittsfähigkeit zuzuschreiben.«

Besonders wichtig für die Sache ist folgender von mir aufgestellte Lehrsatz: »Es muss endlich, als zwar nicht mit Messer und Scheere zu beweisen, aber doch »mit der Sicherheit, die menschliche Verstandesschlüsse überhaupt gewähren können, »behauptet werden, dass bei ganz gleichen Gewichten, ja selbst bei ganz gleichen »Oberflächen und bei ganz gleichen Rindendicken, zwei Gehirne doch ganz verschieden »geistig leistungsfähig sein können, weil eben die zweifellos angeboren »werdenden Qualitäten ihrer Rindenkugeln von Haus aus ver- »schieden waren, oder es später durch Ausbildung (Wissenserwerb, »Erziehung u. s. w.) geworden sind.«

Ich zog aus diesen angeführten Lehrsätzen sodann 1883 folgende Schlüsse: »Aus allen dem Vorhergehenden ergibt sich wohl unwiderleglich, dass Alles, was bisher »über Gehirnunterschiede von Mann und Frau vorgebracht wurde, auch nicht mit »dem geringsten Schein von wahrem Recht, wahrer Wissenschaft- «lichkeit gegen das Frauenhirn verwerthet werden könne, dass »mithin diese von Professor Bi sc ho ff angerufene »»göttliche und natürliche An- »ordnung«« nicht für etwas verantwortlich gemacht werden könne, für das sie es »durchaus nicht ist, weil es eben gar nicht existil't. für die vorgeblich »anatomisch nachzuweisenden Gehirnunterschiede von Mann und Frau.«

Und weiter: »Wenn die Frauen der Mehrzahl nach bisher auf geistigem Ge- »biete sich minder entwickelt und daher auch productionsunfähiger erwiesen haben »als die Männer, was gar nicht geleugnet werden kann und soll; wenn auch »die Grosssumme des geistigen und Kulturbesitzes der menschlichen Gesellschaft durch »männliche und nicht durch weibliche Gehirne erworben wurde, was ebenso »gewiss; so können hierfür, wie wohl jeder Kulturhistoriker weiss, und jeder nur »einigermassen unbefangene, vernünftige Mensch zugeben muss, die bisherige Er- »ziehungsweise und selbst allgemein bekannte sociale Verhältnisse viel be- »gründeter verantwortlich gemacht werden als die anatomischen Gehirn- »unterschiede, weil diese eben durchaus nicht in einer diesen Leistungsunterschied »erklärenden/Weise existiren. Der Anatom müsste vielmehr, von s e i n e m Standpunkte »aus, geradezu überrascht sein, dass trotz solch 1 eminenter Analogie in der »Architectur der Gehirne beider Geschlechter das eine davon, das weibliche, im Durch- »schnitt bisher so wenig von Geistesarbeit geleistet habe. Müsste es sein! wenn er »nicht durch die Kulturphilosophie, sowie durch eigene unbefangene Beurtheilung der »bürgerlichen Verhältnisse der Frauen, selbst bei den gebildetsten Nationen, bald er- »kennen würde, dass, wie in so vielen von der Natur scheinbar unwiderleglich ange-