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den Griechen Aristoteles im Originale lesen! Dies erachteten wir für völlig über­flüssig. Nebenbei gesagt, ist es auch ganz so für Knaben und Jünglinge. Vermag es Einer durch Privatfleiss, gut für ihn; wichtig ist es nirgends und für Niemanden.

Wir haben auch nicht gewünscht, dass die Mädchen durch alle Bücher des Lateiners T a c i t u s geführt werden und dass sie lateinische Originalaufsätze machen lernen. Ein gewisses Quantum jedoch der lateinischen und griechischen Sprache wäre aber jedesfalls an den Mädchen-Gymnasien gelehrt worden. Denn für jeden Menschen, der überhaupt eine Universitäts-Wissenschaft cultiviren will, hiezu dürften bald manche unserer Mädchen gehören, ist ein gewisses Budget der alten Sprachen, besonders der lateinischen unentbehrlich. Schon darum, weil sie die einzige Sprache ist, in der sich die Gelehrten aller Völker der Erde leicht und ohne Vor- urtheil verständigen könnten.

Es stand wahrlich weit besser um den Frieden der Völker in nationaler Be­ziehung, als die Gelehrten aller Nationen ihre Werke nur und exclusive in lateinischer Sprache schrieben. Was haben wir denn von jenen Büchern, und wären es die besten, die z. B. heutzutage in czechischer oder ungarischer Sprache abgefasst sind? Wird irgend ein deutscher oder französischer oder englischer Gelehrter je czechisch oder ungarisch so gründlich, ja nur überhaupt lernen, um die gelehrte, bisweilen wirklich Treffliches bietende Litteratur dieser Völker im Originale verstehen zu können ? Die hiezu nöthige sehr geraume Zeit wird Jeder weit besser und erspriesslicher auf eigene wirkliche Forschung zu verwenden wissen.

Und wohin ist es heute durch eine wahrhaft erbärmliche Rivalitätssucht in Sprachenfragen und durch die ebenso naturhistorisch wie politisch völlig unberech­tigte und unkluge Nationalitäts-Flunkerei gekommen, auch in der Gelehrtenwelt gekommen? Die Dänen z. B. haben eine Sprache, die der deutschen sehr nahe ver­wandt ist; sie wissen auch alle ganz gut deutsch. Sie sind aber seit dem Schleswig- Flolsteinischen Krieg solche Deutschenhasser geworden, dass sie, die früher alle ihre gelehrten Abhandlungen in deutscher Sprache abfassten, nun sich stellen, als ob Deutsch für sie Arabisch wäre, und was sie schaffen, in dem, doch nur auf einer win­zigen Flrdscholle verständlichen Dänisch schreiben, höchstens noch mit einem französischen Resume! Solcher Beispiele liessen sich noch sehr viele anführen.

Bedenken Sie nun, welche Schwierigkeiten hieraus heutzutage für die Wissen­schaft erwachsen. Bis zur zweiten Hälfte des IS. Jahrhunderts schrieben die Gelehrten aller Völker ihre Werke nur in lateinischer Sprache. Es wäre ein wahres Glück für uns, wenn es wieder so käme!

Nicht Alles erwägende Gegner der alten Sprachen wenden immer ein, diese Sprachen seien todt. Ja, w'enn sie Niemand zum allgemeinen Gebrauche cultivirt, sind und bleiben sie freilich todt. Wenn das lateinische Idiom wieder allgemeine Schrift­sprache würde, hörte es sogleich auf, eine todte Sprache zu sein. Eis wäre das treff­lichste, friedlichste und auch ausreichendste Verständigungsmittel der Gelehrten aller Völker der Erde.

Die altgriechische Sprache hingegen mit ihren zahlreichen Dialecten hat nie eine derartige Verwendung als Schriftsprache gehabt und kann daher auch ganz gut, mit Ausnahme einiger elementaren Kenntnisse und des Erwerbes eines gewissen Wortquantums derselben, besonders in ihrem dermaligen bei uns ( nicht mehr in Transleithanien !) leider üblichen Betriebsumfange, aus dem Lehrplane der Gymnasien sowohl für Knaben als noch mehr für Mädchen entfernt werden.