Ül

Ich bin daher entschieden dafür, dass für Frauen, auch abgesehen von solchen, die später Universitäts-Studien anstreben, jenes von mir schon 1S4S ins Auge gefasste Quantum und Quäle der lateinischen Sprache jedesfalls in Lehranstalten gelehrt werden müsste, die Sie als Gymnasien anstreben.

Dieses Lateinische müsste jedoch in absolut anderer Weise, anderer Zeit­folge und nach anderem Umfange gelehrt werden, als dies an unseren heutigen österreichischen (und deutschen) Knaben-Gymnasien der Fall.

Dass aber einem zweckgemässen Unterrichte zunächst der lateinischen Sprache, auch nicht die geringste Schwierigkeit von Seite dur Mädchenfähigkeiten im Wege steht, ist sehr leicht zu constatiren. Betrachten wir einen Augenblick, was die Mädchen der gebildeten Stände in der Jetztzeit lernen. Sie lernen fast Alle Franzö­sisch, Italienisch, Englisch, und dies ganz vortrefflich. Ich kenne z. B. nicht wenige deutsche Mädchen, die beinahe besser Englisch sprechen und schreiben, als ihre deutsche Muttersprache. Glauben Sie nun etwa, dass Französisch oder Englisch leichter zu erlernen ist als Lateinisch ?! Eine Sprache, in der die Worte genau so ausgesprochen werden, wie sie geschrieben sind, wie dies im Lateinischen der Fall, ist schon darum viel leichter als alle sogenannten modernen Sprachen zu bewältigen.

Ich habe die feste Ueberzeugung, dass Knaben und Mädchen in zwei ge­hörig verwendeten Jahren vom Lateinischen so viel erwerben können, als sie im Durch­schnitte für das Leben, die Universitäts-Gegenstände aller Facultäten, mit Aus­nahme der klassischen Philologie, miteingerechnet brauchen.

Indem ich also nochmals hervorhebe, dass der Unterricht in der lateinischen Sprache auch für Frauen nöthig ist, bin ich insoferne mit Ihrem Unternehmen einer Mädchen-Gymnasiums-Gründung einverstanden.

Was weiter die anderen Lehrgegenstände eines Gymnasiums betrifft, so lernen die meisten Mädchen besserer Stände dieselben schon ohnedem heutzutage. Werden ja doch Geschichte, Geographie, Mathematik, Physik, Chemie, Zoologie und Botanik in allen besseren Mädchen-Lehranstalten vorgetragen.

Jedesfalls müssen Sie aber trachten, Männer für diese Vorträge zu gewinnen, die vor Allem den Frauen auch wohlwollend gesinnt sind, und die nebst ihren Fach­kenntnissen eine gewisse universelle Bildung besitzen. Einseitige, selbst sehr gelehrte Lehrer sind für Frauenschulen ganz unbrauchbar!

Ich hege weiter die feste Ueberzeugung, dass Sie, meine jungen Hörerinnen, Ihre lateinischen Aufgaben viel besser machen werden, als die Mehrzahl Ihrer Brüder! Von den Knaben wollen ja sehr viele die alten Sprachen gar nicht lernen; ja Viele verabscheuen sie sogar, daher der schlechte Fortgang so vieler Gymnasisten in den unteren Classen gerade im Lateinischen. Die Mädchen hingegen, die den Latein-Vorträgen Ihrer projectirten Schule folgen werden, lernen Alle gerne, ja kommen nur deshalb. Auch sind sie an und für sich meist schon sehr befähigt, da gewiss nur solche Befähigte Ihr »Gymnasium« besuchen werden. Sie werden daher Alle sehr eifrige Schülerinnen sein und schnell gute Fortschritte auch in der »alten Sprache« machen.

Für die Naturwissenschaften, speciell für Anatomie und Physiologie des Menschen- und Thierkörpers, bin ich selbst gerne erbötig, Ihnen mit Rath und That beizustehen, wenn anders mein Gesundheitszustand im nächsten Winter dies erlaubt. (Bravo-Rufe.)

Gestatten Sie, dass ich bei Nennung der beiden Fächer Anatomie und