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Physiologie des Menschen einen Augenblick verweile. Ich halte dafür, dass für alle Mädchen, die einmal heirathen wollen, und auch für solche, die hiezu nicht Ge­legenheit haben, die aber sonst in Familien hilfreich leben, eine gewisse Summe von anatomisch-physiologischen Kenntnissen ein sehr nothwendiger Hausbedarf ist. Denn, wer stiftet oft mehr Unheil in sanitärer Beziehung als die Frauen, durch ihre, nur zu oft auf falschen Autoritäts- oder auch auf Aberglauben beruhenden »Kuren«? Und wem von allen Laien wäre es eigentlich nothwendiger, als den »Müttern un­serer Kinder«, fachgenväss unterrichtet zu sein: über die wahren anatomischen und hygienischen Verhältnisse, die im gesunden und kranken Leben massgebend sind und die von Natur aus bestehen, welche aber meist durchaus nicht den Meinungen, Lehren, Vorstellungen jener traditionellen »Altweiber-Weisheit« entsprechen, die leider nur zu oft das ganze medicinische Hausbudget unserer »erfahrenen« (?) Hausmütter bildet?

.Den betreffenden Unterricht müsste aber ein Mann übernehmen, der nebst gründlichen Fachkenntnissen auch über eine gewisse Summe »sociologischer« Erfah­rungen über das Frauenleben verfügt. Dieser, der vor Allem auch die »Mütteraufgabe« ins Auge zu fassen hätte, müsste Anatomie im Vereine mit Physiologie, d. i. Bau- und Zweck-Lehre des menschlichen Körpers, in einer für Frauen passenden und auch fasslichen Weise lehren. Wenn mir der Schöpfer noch weiter das Leben gönnt, übernehme ich diese Aufgabe für Ihre Bedürfnisse sehr gern. (Bravo-Rufe.)

Ich hoffe, meine geehrten Damen, wir haben uns bis nun verstanden! Na­türlich wird es nicht immer und nicht einmal lange gehen, dass Ihnen unentgeltliche Lehrer zur Verfügung stehen. Ich muss daher nothgedrungen, freilich malgré moi, noch einen Augenblick bei einem etwas . heiklen Punkte, bei der Geld angelegenheit der Gymnasienfrage Ihres Vereines, und was damit zusammenhängt, verweilen.

Um Ihnen nun Sachlage und Würdigung solcher Dinge, wie es die Frauen- Gymnasialfrage ist, durch die Menge unserer Mitbürger, d. i. die Geldbeschaffung für solche Dinge durch freiwillige Beiträge, selbst zu besten Zwecken, ein wenig und zwar als Schlusseffect unserer Vorlesung in etwas humoristischer Weise näher zu bringen, erlaube ich mir auf ein analoges Factum aus meinem früheren Leben, er­zählend, zurückzugreifen.

Ich hatte im Sommer 186h, auf mehrfaches Ersuchen betheiligter Personen, die temporäre Leitung des Thiergartens im Prater übernommen, der damals seit drei Jahren bestand und trotz seines blühenden und vielversprechenden Anfanges ob schlechter Verwaltung dem völligen Untergange zuneigte. Ich übernahm diese Leitung unter den allerschlechtesten .Auspicien, da damals gerade unsere »norddeutschen Brüder« sich Wien zu dessen Belagerung näherten.

Ich kündigte nun, bei meiner Uebernahme des Director-Postens, Juli 1866, eine Vorlesung im Hörsaale des Thiergartens an, zur Darlegung meiner Pläne und Zwecke für denselben. Die Vorlesung war unentgeltlich und sollte wesentlich fördernd auf den Beitritt der besseren Wiener Bevölkerung zu einer neu zu kreirenden Thier­garten-Gesellschaft ( die alte war fallit geworden) wirken. Einige Tage, nachdem ich diese Vorlesung gehalten, erschien in dem Ihnen wohlbekannten Witzblatte »Figaro«, damals von einem meiner ehemaligen Hörer, Herrn Med. Cand. Sitter redigirt, ein offener Brief an mich, den ich Ihnen als Erheiterungs- und noch mehr als Belehrungsmittel, ob seines wirklich treffenden und noch heute völlig gütigen In­haltes, wörtlich vorlesen will.