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Die leitenden Gedanken, welche in dem Aufrufe vom April 1888, sowie in der ersten Petition an den österreichischen Reichsrath nieder­gelegt sind, sind überraschend schnell zu Verbreitung und Geltung ge­langt ; ihrer Proclamierung durch unseren Verein, den ersten, der auf Grundlage des Frauenrechtes in Österreich sich erhob, folgte eine leb­hafte Propaganda. Mit dem Eintreten für das Frauenstudium ward der lebenskräftige Keim der Frauenfrage zur Entwicklung gebracht. Die Forderung nach Erschliessung des ärztlichen Berufes und des höheren Lehramtes, sowie verwandter Berufe für die Frauen, anscheinend eng begrenzt und auf ein nahes concretes Ziel gerichtet, wies dem Vereine den geraden richtigen Weg und schrieb ihm die Wahl der Mittel vor.

Das Gymnasium, die Universität für die Frauen! In diesem Losungswort war die Sache zur Gemeinverständlichkeit gediehen. Die Gleichheit im höchsten Wissen musste die Gleichheit der meistgeschätzten Befähigung erweisen, aus welcher die Ebenbürtigkeit auf anderen Ge­bieten si($i unschwer ableiten und nacliweisen lässt. Die strenge Geistes­zucht dieser wenigen Frauen muss vorbildlich und aneifernd überallhin wirken.

Das Bestreben der Frauen wird mehr und mehr darauf gerichtet sein, den belächelten und becomplimentirten Dilettantismus aufzugeben, ihre Leistungen einer objectiven Kritik zu unterwerfen, das einheitliche Mass für den Wert idealer Lebensgüter anzunehmen und nach eben diesem einheitlichen Mass den Preis dafür zu zahlen. Für ganze Arbeit den ganzen Lohn echte Bildung und daraus folgende echte Wert­schätzung.

Aus der Durchführung dieser Norm ergeben sich die Bedingungen jeder zweckdienlichen Organisation zur Hebung des zurückgesetzten Geschlechtes. Der Verein entwickelte seine gesammte Thätigkeit auf Grundlage der Annahme, dass die Frau durch Unwissenheit zur Ohn­macht im öffentlichen Leben sank, dass sie durch gütiges Wissen wieder den ihr gehörenden Machtantheil erwerben müsse

Aber damit man das Recht erlangt, der aufsteigenden Generation dieses gütige Wissen verabreichen zu dürfen, muss man die Eltern, die Behörden, alle Urtheilsberechtigten an seine Überzeugung glauben lehren.

Gleichgiltigkeit, Feindschaft, Spott und Lauheit müssen nachein­ander überwunden werden. Dieser Aufgabe hat sich der Verein gewidmet jahrelang mit nimmermüdem Eifer, mit dem Mutli, der vor keinem Wagnis zurückschreckt, mit der Sorge, welche die kleinste Pflicht nicht unerfüllt lässt.

Es braucht nicht ausgeführt zu werden, welche Summe von Schwierig­keiten in den WortenGründung eines Mädchen-Gymnasiums enthalten ist. Die vielen falschen Propheten, die zum Unterschied von den echten auch im Vaterlande etwas gelten, erhoben warnend ihre Stimme. Wo sollen denn die benöthigten beträchtlichen Mittel her­komm en ?