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Der Cassabestand vom 1. October 1889 weist etwas über 2300 fl. als Vereinsvermögen aus. Die Beiträge von 2 Stiftern, 14 Gründern und 195 Mitgliedern, einige Spenden und der Ertrag zweier Vorträge machen diese Summe aus. Sie ist nicht klein zu nennen für einen Verein, dessen Zwecke der grossen Mehrheit der Gebildeten sogar noch so fremd­artig waren. Sie erscheint beträchtlich, wenn man erwägt, dass sich der Verein vom Beginn an nicht zunächst die Beschaffung reichlicher Geldmittel, sondern die Ausbreitung seiner Principien, die Anerkennung der Nothwendigkeit einer exacten höheren Frauenbildung zum Ziel ge­setzt hatte. Jeder Zoll des Bodens musste mit heisser Mühe gewonnen und bereitet werden, auf dem das Werk erstehen sollte und dauern konnte.

Rasch erworbenen und seither in keiner Stunde vermissten Bei­stand fand der Verein bei der Wiener Presse. Sie hatte unbefangen und mit bewundernswerter Intuition die Bedeutung der Frauenfrage erfasst; sie trat willig, tactvoll und wirksam für eine Idee ein, deren wachsenden und reformierenden Einfluss sie vorschauend schätzte. Die Überzeugung der kleinen Gemeinde stärkte und klärte sich.

Im zweiten Jahre seines Bestehens entwickelte der Verein bereits eine ziemlich ausgebreitete publicistische Thätigkeit, die mit dem Artikel eines Züricher Professors ihren Anfang nahm und so weit gediehen ist, dass der Verein nicht nur dnrcli einzelne Notizen und Essays, sondern auch durch Serien von Publicationen, ja während eines Jahres sogar durch die selbständige Herausgabe eines gern gelesenen Beiblattes zu einer Wiener Tageszeitung mit dem Publicum Fühlung nehmen konnte.

Nebenher gieng eine Propaganda im engeren Kreise; ihre Auf­gabe war, überzeugungstreue, ausdauernde Mitarbeiter am Werke zu. gewinnen. Denn der Verein hielt es für räthlich, Fluctuationen hintan­zuhalten, da das Resultat der Frauenbestrebungen und die Achtung vor diesen ja besonders unter dem nicht selten auftretenden Anschein geringer Ausdauer und Stetigkeit gelitten hat. Die Listen der Mitglieder und der Vereinsleitung mit den seit vielen Jahren festgehaltenen Namen zeigen, dass sich der Verein keineswegs mit oberflächlicher Proselyten­macherei befasste.

Der Sache Fernerstehende suchte der Verein durch Vorträge und Vorführungen solcher künstlerischer Productionen zu interessieren, die mit dem Reiz der Originalität eine nutzbringende Beziehung auf das Arbeitsprogramm des Vereines verbanden. Die Leistung hervorragend begabter Frauen, wie diese Frauen selbst, ihr Lebensgang und ihr Auf­treten in Vergangenheit und Gegenwart sollen die Vorbedingungen für die neue Stellung der Frau schaffen helfen, um jenen Parallelismus in der Culturarbeit beider Geschlechter anschaulich zu machen, der den wich­tigsten Schienenweg auf der Bahn modernen Fortschrittes bildet.

Die Ausführung dieses planmässigen Vorhabens begann nutzbringend mit dem Vortrag der ersten prakticierenden Aerztin Österreichs und fand unter anderem eine sehr eindrucksvolle Fortsetzung in der Er-