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lassen! Ihr habts gehört. Nun rathet mir und lasst mich andere Wege finden.« Wer aus Eurer Mitte wollte und könnte sich opfern . . \ Der König wartete. Todtenstille ringsum. Noch eine Secunde. Der König will fortfahren zu sprechen. Da hört er einen Ruf. »Ich gehe, theurer König, ich habe es beschlossen.« Die Volksmenge theilte sich. Ein 20jähriger Jüngling mit strahlendem, bleichem Antlitz trat vor den König; »Ich gehe in den Tod. Ich helfe meiner Heimat! Es lebe ewig mein theures Vater­land.« Gerührt umarmte ihn der König. »Mein Sohn, es gibt keinen Lohn, kein Lob für Dich auf Erden! Dort, dort in jener Welt« der König konnte vor Schluchzen nicht fortfahren, er beugte sich herab und küsste den Saum am Gewände des Jünglings. »E)och, wo ist Deine Mutter, wo ist sie die Heilige?« »Hier, mein Herr und König«, antwortete bebend eine Frau. Welch heisse, unbegrenzte Qual verbargen ihre Züge.

»Gibst Du mir Deinen Sohn auch aus freiem Herzen?« frug der König.

»O Herrscher, für wen hab ich ihn sonst geboren, wenn nicht für unser Vaterland? für wen hab ich ihn grossgezogen, wenn nicht für Dich? Was bin ich vor der Heimat? Nimm ihn hin, der Herr beschütze uns!« Sie sank zu den Füssen

des Sohnes. Im Gesicht des Königs zuckte es krampfartig, er beugte sich herab und

küsste ihre Hände.

Todtenstille. Und nur Steine und Schaufeln unterbrechen sie. Eine tausend­köpfige Menge steht vor den Mauern; der Priester sprach mit gebrochener Stimme das letzte Gebet. Zurab, so hiess das Opfer, stand schon im Sande.

»O Sohn, wo bist du, hörst du mich?« So tönte es aus einer Reihe. Die Mutter

frug es, kaum mächtig ihrer selbst. »Hier Theure, die Erde reicht mir bis zum Knie.«

Und wieder hört man: »Mein Kind, wo bist Du sag?«

Und mit fester Stimme antwortete Zurab: »Hier Mütterchen. Die Erde deckt mir schon den Leib.«

»Grosser Gott, Zurab, wo bist Du, sprich?« verzweifelnd schrie das Weib.>

»Hier, Mutter, die Erde ist mir schon am Hals.«

Einige Secunden später schrie er laut und fest: »Leb wohl, Mutter, die Erde reicht mir in den Mund.«

Ein einziger Athemzug aus tausend Lungen, ein einziger angehaltener Seufzer in tausend Herzen.

Schon soll er ganz verschwinden, Zurab der Held, da plötzlich oben an der gebrochenen Mauer steht Saib: »Halt«,-schreit er, Gottes Wunder sind erfüllet. Haltet ein! Und befreiet diesen Heiligen! Und Du, o König, der Du aus lebenden Söhnen Mauern bilden kannst, Du fürchte nichts! Dein Volk ist unbesiegbar, unbesiegbar durch das Volk bist Du!

Baut weiter, Gott prüfte Eure Herzen! Schwer war die Prüfung, Ihr be­standet sie.

Freut Dich, Kartvelien! Dich kann kein Persien bezwingen.« Und heute steht sie noch, die Festung in Suram.

Und diese Mutter, die freiwillig zu so grausamen Opfer sich erbot, sie ist vom V. bis zum XX. Jahrhundert unzertrennlich mit dem Ideal aller Georgierinnen verbunden. Ein zweifelloser, leidenschaftlicher Patriotismus ist im einfachsten Land­weibe, wie in der feudalsten Fürstin ausgeprägt.

Man hat mich oft gefragt, ob die Georgierinnen nicht an den Harem verkauft würden. Das ist ein Irrthum. Es sind Tscherkessenkinder, aus den mohamedanischen