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Trommel mit kleinen Silbermünzen) und singen mit ihren klangvollen Altstimmen zu des Poeten »Schota Rustaveli« Versen oder zu »Baratoffs« wehmüthigen Klagen die ältesten Weisen, die aus einer grauen Vergangenheit herübergedrungen sind. Der Gesang in Georgien ist eigenartig und unähnlich allem, was man sonst gewohnt ist darunter zu verstehen. So auch die Musik, die ausschliesslich in Halbtönen zum Ausdruck kommt; trotzdem, das ungewohnte Ohr erfasst sofort den ganzen Zauber und Sinn. Ich hörte sogar Engländer unterm Spiel eines Salamuri-Pfeifers improvi­sieren. Rossi, der Tragöde weinte,- als diese Musik aus der Ferne zärtlich herüber­drang in den Park, wo die Fürsten und begeisterten Verehrer seines Talentes ein nationales Gelage für ihn veranstaltet hatten.

Die vielen Deutschen und Franzosen der dortigen Colonien, alle haben das­selbe Gefühl einer zauberischen Hypnose während des Spieles; ich brauche kaum der Russen zu erwähnen, deten historisch bekannte Weichheit und Neigung zu wehmüthiger Schwärmerei längst mit den Gefühlen und den Gebräuchen des südlichen Volkes sich befreundet haben.

So wächst sie denn auf, die liebliche, zartgliedrige kleine Kali (Frau). Mit 910 Monaten tanzt sie auf der Hand der Wärterin nach dem Tact der Lesginka und greift mit den rosigen Fäustchen so verständig und coquett in der Luft herum, als wüsste sie, dass die ganze Zukunft ihres Seelenlebens damit symbolisiert sei; denn ihr Leben ist ja fast ein beständiges Greifen und Haschen ins Leere, sie hat noch keinen Halt. Die Wärterin erzählt der Kleinen vor dem Einschlafen von der grossen Königin Tamara, dann von den Helden der alten Legenden, die viele Türken und Perser todtgeschlagen haben und mit Wunden bedeckt nach der Heimat zurück­kehrten die dann plötzlich über Nacht an der Aragva (ein Fluss) heilten, denn das Wasser that Wunder, weil darin kleine Waisen gebadet hatten.

Dann erzählt sie von Hiraklij und von Mzchet, dem grossen Grabe ruhmvoller Könige. Sie lehrt die Kleine begreifen, Georgien sei der Antheil der Gottesmutter (denn die Georgier nennen ihr Land so und mit dem Bildnis dieser Landesherrin sind alle Kriegsfahnen versehen) und diese poetische Anspielung ist der erste Religionsunterricht für das erwachende Herzchen.

Georgien ist fast durchwegs orthodox. Doch sind auch einige Provinzen dem römisch-katholischen, Glauben beigetreten.

Ich wende mich der Kleinen wieder zu, die ich in ihrem Bettchen zurück­gelassen, an dem die schläfrige, alte Niania eintönig und schwerfällig ihren Gedächt­nisschatz auskramt, der vom Alter verblichen und angemodert, dennoch seinen echten Goldwerth nicht verloren.

Sie schläft, die kleine kartvelische Frau, aber ihr Traum ist nicht mehr ein ganz ruhiger. Die neue Luft, die in ihre Heimat eingedrungen ist, hat ihr Herz schon erweitert, ihrem Blute Fieber eingeträufelt; bald kommt der Tag, an dem sie kräftiger und frischer zum Erwachen gelangt, als es die Frau des Abendlandes ge­konnt, die nervöse Bahnbrecherin neuer Wege über schwierige Hemmnisse. Neuerungen fordern vor allem Kraft, später veredelnden Einfluss.

Der Schönheitsgeist, den man sofort an jede neue Idee knüpfen will, er über­wältigt sie. Kraft, drängende rohe Kraft, vielleicht unsympathische und unschöne Kraft, wird die Georgierin der Zukunftsidee entgegenbringen. Sie wird keine Com- promisse eingehen mit dem Alten, Gewesenen und wäre es auch das heiligste am Altar