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Gymnasialstudien durch ein als Ergehniss einer Prüfung ausgestelltes Abgangs- resp. Reifezeugniss zu erbringen. Ins Praktische übersetzt heisst dies für die Frauen, dass sie sich, um jene Berechtigung zu erlangen, einer eidgenössischen Maturitätsprüfung zu unterziehen haben. Die näheren Bestimmungen hierüber sind aus dem Anhänge für die Verordnung über die eidgenössischen Medicinal - prüfungen ersichtlich. Es entspricht diese Matura im wesentlichen derjenigen, welche auf den deutschen Realgymnasien absolvirt wird. Von den vier ver­langten Sprachen: Latein, Griechisch, Muttersprache (deutsch), und eine zweite schweizerische Nationalsprache, kann das Griechische durch eine dritte schweizerische Nationalsprache oder durch das Englische ersetzt werden. (Für eventuelle Aspirantinnen möchte ich hinzufügen, dass in der Prüfungsordnung nicht bemerkt ist, dass von den zukünftigen Studenten der Medicin auch die Elemente der analytischen Geometrie der Ebene verlangt werden.)

Hat sieh eine Studentin den erwähnten Aufnahmsbedingungen unter­zogen. so wird sie wie jeder männliche Student und gemeinsam mit diesem durch den Rector immatriculiit und unmittelbar darauf legt sie dem Rectorat das Handgelübde ab, die Satzungen für die Studirenden an der Hochschule getreulich und ohne Gefährde zu beobachten. Sie erwirbt damit die Rechte des akademischen Bürgers, d. h. sie hat fortan wie jeder männliche Student das Anrecht auf:

»1. den Zutritt zu den von ihr gewählten Vorlesuugen;

2. die reglementarische Benützung aller der Hochschule offenstehenden Anstalten und Sammlungen für den Unterricht;

3. amtliche Zeugnisse von den Docenten, bei welchen sie Collegien ge­hört hat, und darauf begründet ein amtliches Abgangszeugniss des Rectors gemäss der Universitätsordnung.«

Den gleichen Rechten entsprechen die gleichen Pflichten. Ueberschreitung der Satzungen zieht für die Studentin die gleichen Folgen nach sich wie für den Studenten. Doch soll der Züricher Career noch niemals einer Dame Obdach gewährt haben.

Soviel über die Aufnahme. Wie verhält sich nun der männliche Student gegenüber dem weiblichen Commilito?

Als es sich vor etwas mehr als fünf Jahren um mein Fortgehen nach Zürich handelte, wurde mir auch in dem Bestreben, mich von meinem Ent­schlüsse abzubringen, in naivster Weise die Bemerkung entgegengehalten, dass die Züricher Studenten so sehr gegen das Frauenstudium eingenommen seien. Meine Damen und Herren, das Frauenstudium ist in erster Linie eine sociale, eine wirthschaftliche Frage. Auch der Schweizer Student wird daher mehr oder weniger instinctiv in der studirenden Frau seinen natürlichen Feind sehen. Einzelne suchen diesem Standpunkte auch Ausdruck zu geben, indem sie principiell keine Studentin auf der Strasse grüssen. Zu weiteren Demon­strationen ist es aber meines Wissens niemals gekommen. Beleidigungen gegen einzelne Studentinnen, wie sie in klinischen Bierzeitungen ein- oder zweimal vorgekommen, trugen rein persönlichen Charakter und gingen von ein paar bei Professoren und Studenten als gemein bekannten Individuen aus. Es wurde bei dieser Gelegenheit das ganze Institut der Bierzeitung, da die be­treffende Nummer auch sonst an Rohheiten nichts zu wünschen übrig liess,

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