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anstaltete eine grosse Reception dem Frauen-Congress zu Ehren und die Pariser Damen gaben uns Fremden eine sehr gelungene Abendgesellschaft in einem der Ausstellungspaläste. Kurz, wir fühlten uns sehr gefeiert.

Ich möchte mir an dieser Stelle erlauben, auf ein hervorragendes Mit­glied des Congresses hinzuweisen. Mme. Leon Berteau ist die Frau eines Bild­hauers. welche als Schülerin ihres Gatten zuerst neben ihm gearbeitet und ihn jetzt überflügelt hat. Die Psyche von Mme. Leon Berteau auf der Weltausstellung hat den ersten Preis erhalten und ist vom Staate angekauft, um im Luxem­bourg neben einer bereits von derselben Künstlerin vorhandenen, aufgestellt zu werden. Das bedeutet ein Stück historische Unsterblichkeit. Ich erlaubte mir, Herrn Berteau im Scherz zu fragen, ob er von dem Virtuosen gehört, der da gesagt hat: »Ich kann keine musikalische Frau heirathen. denn, spielt sie schlechter als ich, so werde ich mich ärgern, und spielt sie besser, so kann ich sie gar nicht brauchen« und knüpfte dann die Bemerkung daran, ob er wohl auf den Ruhm seiner Frau eifersüchtig sei. Mr. Berteau ist ein geachteter Künstler und seine Antwort war sehr sympatisch; er fand, dass nichts be­friedigender sei als ein gemeinsames Arbeiten der Gatten, das Streben nach demselben Ideale nur ist meine Frau viel begabter als ich fügte er ein­fach hinzu.

Ausser Mme. Berteau gab es viele hochbedeutende Frauen, doch die erweiterte Bildung machte sich in Aeusserlichkeiten nicht geltend.

Man zeigte uns verschiedene Institute nach dem Congress. Besonders gefiel mir das Künstlerwaisenhaus, zu dessen Gründerinnen auch Sarah Bern­hard gehört. Es ist ein Internat für junge Mädchen und die Schule macht es sich zur Aufgabe, der Begabung der Einzelnen nachzugehen und dieselbe zu entwickeln. Wer keine künstlerische Neigung zeigt, erhält eine bürgerliche Er­ziehung. Erwerbsfähigkeit soll aber unter allen Umständen erzielt werden. Was ich an Schulen, unabhängig vom Congress, durch eine Empfehlung des Herrn Rector Greard in Paris gesehen, kann ich nicht umhin, hier zu berühren. Besonders haben mir die ecoles professionelles imponirt, wo die Schülerin im Schneidern, Blumenmachen etc. so systematisch unterrichtet wird, dass sie das Zeichnen des Modeblattes, das Zusammenstellen der Farben etc. ausführen muss, bevor sie zu der Herstellung der Toilette schreitet. Ebenso werden Blüthen und Blätter, der Zweig, der Strauss, zuerst nach der Natur gemalt und dann die Stoffblumen gemacht. Der Staat gibt all diesen Schulen das Material.

Um auf den Congress zurückzukommen, so muss ich betonen, dass die Verständigung doch eine ziemlich schwierige war. Nicht die fremde Sprache und die Basis französischen Rechtes und französischer Verhältnisse, welche den Ausländern nicht bekarfnt waren, machten die meisten Schwierigkeiten, sondern der verschiedene Standpunkt, den die Einzelnen zur Frage einnehmen, obgleich sie alle für die Entwicklung der Frauenbildung eintreten. Was man in Frank­reich anstrebte, besitzen viele andere Staaten bereits darum war es oft sehr schwer, das Richtige zu treffen. Besonders Amerika, Skandinavien und Finnland sahen sich in eine Welt zurückversetzt, welche sie nicht mehr recht begreifen konnten und die Vertreterinnen versäumten es zuweilen, Mittheilungen