Stufe mit der Einführung in die deutsche Literatur beschäftigen. An die geistigen Schätze der nationalen Bildung ist auch die Bildung des Weibes gewiesen und in diesen geistigen Schätzen kommt die Fülle, Schönheit sowie Eigenthümlichkeit der Muttersprache erst zur lebendigen Anschauung. Eine Einführung in das Verständniß der Meisterwerke der deutschen Literatur wird daher in den Stand setzen, die Schönheit zu empfinden und die Klarheit nachzuahmen, welche aus jenen Werken hervorleuchtet.^)

Daraus folgt, daß auf der oberen Stufe der höheren Töchter­schule alle Seiten des Sprachunterrichts, das Lesen und Schreiben, das Denken und Sprechen, die Uebung des Gedächtnisses und die Bildung des Geschmackes auf den Unterricht in der Literatur bezogen werden und durch ihn ihren vollen Werth und Inhalt empfangen müssen. Der Centralpunkt des deutschen Unterrichts ist daher ein ästhetischer. Insofern aber diese ästhetische Richtung bei Mädchen leicht in eine verderbliche Gesühlständelei ausartet, muß das Gefühl unter der heilsamen Zucht des Denkens gehalten werden.

Dem weiblichen Gemüthe sagt die Lyrik vorzugsweise zu. Es scheint daher geboten, demselben schon frühzeitig die zarten Blüthen derselben wahr und lebendig vorzuführen, und zwar nicht bloß durch Lectüre und Memoriren, sondern durch eingehende Erörterung und Besprechung von Stufe zu Stufe. In kurzen scharfen Zügen wird ein Umriß der Poetik, sowie das Wesentlichste aus der Metrik zum Besitze der Mädchen zu bringen sein; ebenso ist denselben ein Ein­blick in die geistige Arbeit unserer großen Dichter zu gewähren, und es sind ihnen die mustergültigen Darstellungen derselben über das Wesen der Kunst und Poesie zur Kenntniß zu bringen.

Zum völligen Verständniß der Literatur ist es ferner nöthig, die Umwandlung der ästhetischen Principien, welche von Klopstock

*) Vielleicht wird auch hierdurch die Richtung auf eine gute Lectüre sich an­bahnen lassen. D. V.

In den Büchersammlungen unserer Frauen finden sich Prachtwerke, Ge­dichte und Romane; aber äußerst selten erblickt man eine tüchtige Erziehungs­schrift;und doch," sagt W. Lange, liegt auf ihren Schultern mehr als anderswo das Heil der zukünftigen Generation und der gesammten Menschheit, und doch ist die Erziehung eine so überaus schwere Sache!"