VORWORT DER HERAUSGEBERINNEN

sehen Arbeiterinnen, über ein eigenes publicistisches Organ. Die christlich-sociale Zeitung aber vertritt ebenso wie die ganze christlich-sociale Frauenorgani­sation weder die wirtschaftlichen, noch die socialen Interessen des Weibes, sondern sucht nur, indem sie auf die niedrigsten Instincte speculirt, die Un­erfahrenheit der Frauen in allen Fragen des öffent­lichen Lebens auf das Gewissenloseste für die Partei­zwecke der Männer auszubeuten und so die Herr­schaft der Clericalen und Antisemiten durch weib­lichen Einfluss über das ganze Volk auszudehnen.

Nur die freigesinnten, bürgerlichen Frauen sind in keiner wirksamen Weise organisirt. Sie bilden höchstens kleine Vereine, die mit wenigen Ausnahmen Zwecke der Wohlthätigkeit verfolgen und selbst, soweit sie Fachvereine erwerbender Frauengruppen sind, zumeist nicht den wirtschaft­lichen Interessen, sondern dem Unterhaltungs- und Geselligkeitsbedürfniss ihrer Mitglieder dienen.

Ist es unter diesen Umständen verwunderlich, dass die auf den Erwerb angewiesenen bürgerlichen Frauen in ihrer mangelhaften Erkenntniss der die wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmenden Fac- toren gefährliche Concurrenten für die Männer werden, indem sie ihre Ansprüche unter das Mass des Menschenwürdigen herabdrücken lassen?

Es ist daher einleuchtend, dass eine Organi­sation der erwerbenden Frauen aller Berufsarten ebensosehr im Interesse der Männer wie der Frauen selbst liegt. Als die wichtigste Vorberei­tung dazu muss man die Darstellung des Lebens und der Existenzbedingungen dieser einzelnen Frauengruppen bezeichnen. Solche Darstellungen wird dieses Blatt bringen. Unbeeinflusst von allen Parteiströmungen und Parteistandpunkten soll es den Frauen unabhängige, sachliche, streng an Thatsachen gebundene Belege Dokumente über die wirklichen Zustände des Lebens geben; es soll den Frauen die Wege anzeigen, die sie ein- schlagen müssen, um ihre Interessen zu vertheidi- gen, d. h. die Forderungen zum Ausdruck bringen,

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