EIN BRIEF AN FRÄULEIN FICKERT

die sie zu stellen gezwungen sind, um sich im Existenzkämpfe zu behaupten, die Forderungen nach wirtschaftlicher, socialer und politischer Gleichstellung; es soll eine Verbindung und Gemein­samkeit herstellen zwischen denjenigen Frauen, die ausserhalb des Erwerbslebens stehen, und denjenigen, die ihren Unterhalt durch eigene Arbeit verdienen; es soll alle isolirten Kräfte der Frauenwelt sammeln, und indem es in ihnen das Bewusstsein der Solidarität erweckt, das Bewusst­sein, dass alle Frauen aller Stände ein gemein­sames Interesse haben, sie zu einer realen Macht erheben. Denn die Frauen haben eine sociale Mission zu erfüllen; sie sind es, welche der künf­tigen Cultur ihre Signatur geben werden. In den unverbrauchten Kräften der Frauen liegt die beste Hoffnung der Culturmenschheit; das Eintreten der Frauen in das öffentliche Leben wird den gesell­schaftlichen Organismus völlig verändern und vor Allem jene Uebel zu heilen vermögen, die aus der einseitigen Bevorrechtung des männlichen Ge­schlechtes entstehen mussten.

In dieser Erkenntniss sind alle wirklich frei empfindenden Männer Bundesgenossen der Frauen, Bundesgenossen im Kampfe gegen die Fesseln einer ausgelebten Tradition.

Die Morgenröthe eines neuen Zeitalters wird erst dann anbrechen, wenn sich in den Menschen die freie Persönlichkeit zugleich mit dem socialen Gewissen so mächtig entwickelt haben wird, dass jeder Einzelne sich als verantwortliches Glied der Gesammtheit fühlt.

LIEBES, HOCHVEREHRTES FRÄU­LEIN FICKERT!

W ENN Sie jetzt eine neue Zeitschrift für Frauen herausgeben, weiss ich, es ge­schieht in dem ehrlichen Glauben an die Ideale der Frauensache: dass sie die richtigen sind, und dass sie siegen werden.

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