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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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das Erreichen des Zieles und vermehren die Hin- derniffe, welche fo fchon grofs genug find.

Wenn diefes nun der innerlichfte und Hauptgrund ift, weshalb ich mich weiblichen Studien im Gebiete der Me- dicin widerfetze, welcher in feinem Wefen derfelbe ift, wie in Beziehung auf andere, juriftifche, theologifche, philo- fophifche etc. Studien, fo beftehen nun aber noch eine Maffe anderer innerer und äufserer Hinderniffe, welche gerade in Beziehung auf die Medicin leicht erkennbar find.

Das Gefchlechtsleben tritt bei allen naturhiftorifchen anatomifch-phyfiologifchen Studien fo fehr hervor, es fpielt in allen Krankheitszuftänden eine fo wichtige Rolle, dafs eine ärztliche Bildung und weiterhin ein ärztliches Handeln, gar nicht gedacht werden kann, ohne beftändiges Eingehen auf daffelbe nach allen Seiten hin. So gewifs nun, als das weibliche Gefchlecht von Natur fittfamer, fchamhafter und keufcher ift, als das männliche, fo gewifs, als gerade diefe Eigenfchaft des Weibes eine der fchönften und edelften ift, und einen nicht hoch genug anzufchlagenden Werth für die Erhaltung der Sittlichkeit in der menfchlichen Gefell- fchaft befitzt, fo gewifs, als die Zerftörung diefer weiblichen Tugend vor allem den Untergang und die Vernichtung der Völker herbeigeführt hat und herbeiführt, wo fie nicht hochgeachtet, gefchont und gepflegt wird, fo gewifs ift es, dafs die nothwendige Mifsachtung und Vernachläffigung derfelben, welche medicinifche Studien mit fleh führt, das abfolute Verdammungsurtheil über diefes unfittliche Unter­nehmen unterer Zeit ausfpricht.

Ich werde darüber kein Blatt vor den Mund nehmen.

Die civiliflrte Gefellfchaft ift fehr empfindlich, ja man kann wohl fagen prüde, in Beziehung auf jede mündliche Erörterung über gefchlechtliche Verhältniffe, und es gilt das Wort des Dichters: »Man darf das nicht vor keufchen Ohren nennen, was keufche Herzen nicht entbehren können.« Es mag das oft befchränkt und Heuchelei fein; aber beffer

Bifchoff, die Frauen u. d. Studium der Medicin. 3