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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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Ich halte es defshalb auch für ein ganz unwahres Vorgeben, wenn man zur Unterftützung cles weiblichen ärztlichen Studiums behauptet, dafs fich die Frauen lieber von Frauen würden behandlen laffen. Ich bin überzeugt, dafs fobald die Sache ernft wird, das Vertrauen fchwinden wird. Denn das liegt in der Natur der Sache. Der Schwache fehnt fich nach dem Starken und fucht fich auf ihn zu ftützen, nicht nach dem Schwachen. Jede Frau kennt inftinötiv die Schwächen ihres Gefchlechtes und wird fie zum Voraus auch bei ihrem weiblichen Arzte vorausfetzen. Ich rechne hierauf fo viel, dafs wenn der anzurichtende Schaden nicht gar zu grofs und anderweitig nachwirkend fein würde, ich, wie Viele Andere glauben würde, man könne der Sache geduldig zufehen, fie werde in fich zu Grunde gehen. Wenn man an dem Kranken­bette der Seinigen oder bei eigenem Erkranken mit Zittern und Zagen und zugleich mit Hoffnung auf Hülfe, Rettung und Troff dem Arzte entgegenfieht, dann kann ich mir ohnmöglich denken, dafs das frifirte Haar und die raufchen- den Röcke einer Frau dem Kranken diefe Hoffnung und diefen Troff bringen werden.

Selbft die phyfifche Schwäche wird fich der Mög­lichkeit eines weiblichen Arztes in taufend Fällen entgegen- ftellen. Frauen können die Mühfeligkeiten und Strapazen des ärztlichen Berufes nicht ertragen. Man denke fich eine fchwie- rige Entbindung durch die Zange oder eine Wendung, Zer- ftücklung des Kindes etc.; man denke fich eine gröfsere chirurgifche Operation, Amputation, Exarticulation, Stein- fchnitt etc. etc., welches Mannweib würde dazu gehören, um die nöthigen Kräfte aufzutreiben! Selbft für Zahn­operationen, für die man es liebt weibliche Kräfte für aus­reichend zu halten, beftreite ich das durchaus. Auch hier ift vollftändige Sicherheit und Herrfchaft über die noth- wendigen Bewegungen unabläffige Bedingung, wie fogleich Jeder zugeben wird, wenn er fich mit irgend einer Unficher-