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In der Dämmerstunde erst wurden sie wieder herauf gerufen. O, wie war es nun aber auch wieder hübsch im traulich warmen Zimmer! Das Feuer knisterte im Ofen und leuchtete flackernd durch die kleine Ofenthür. Oben« auf aber zischte und summte es es waren Aepfel, die die Mutter zum Braten auf die Platte gelegt jetzt waren sie gerade gut und nun erhielt Jedes einen.

In der Ecke auf dem Sopha saß die Großmutter.

Ei, Großmütterchen," bat Lischen schmeichelnd,Du kannst uns eine Geschichte erzählen!"

Ja, eine Geschichte!" wiederholte es im Chor, und Wolfgang fragte neckend:Ach ja, Großmama, hast Du aufgepaßt und weißt Du noch, was die Theekanne gestern Abend gesungen hat?"

Ich habe wohl aufgepaßt," sprach die Großmutter ernsthaft,und werde es Euch sogleich wieder erzählen!" Wolfgang stand ein Weilchen voll Erstaunen mit offenem Munde dann aber folgte er den Geschwistern, welche sich um die Großmutter lagerten, und schmiegte sich neben ihr auf dem Sopha dicht an sie. Auf ihrem Schoße saß die kleine Anna sie verstand nicht Alles, was erzählt wurde, denn sie war erst drei Jahre alt, aber sie hörte doch gern still und artig mit zu. Auf der Sophalehne ritt Erich und zu Füßen der Großmutter saßen Meta und Lischen auf einem Fußbänkchen. Die Großmutter begann:

Als unsere alte Theekanne noch jung und neu war, übertraf sie an Schönheit wohl manche ihresgleichen. Sie war von feinstem, fleckenlosem Meißner Porzellan und nach neuester Mode gemalt: auf der einen Seite eine aufgeblühte Rose mit einer Knospe, auf der andern ein paar fliegende Schmetterlinge und ein schöner, grüner Goldkäfer. Auf dem Deckel aber saß so natürlich, als könne man sie wegjagen, eine Fliege, wie Ihr das Alles an der guten alten Theekanne noch alle Tage seht. Damals ward sie, als die schönste ihrer Schwestern, von einem alten Herrn mit gar freundlichem Gesicht gekauft. Er ließ sie sorgfältig in feines Seidenpapier einpacken und trug sie eigenhändig bis zu einem großen Hause in der Lindenstraße. Dort stieg er eine Treppe hinauf und klingelte. Er ward von einem Diener bekannt, aber respektvoll begrüßt und sogleich in ein großes, Helles Zimmer geführt. Durch eine offene Thür sah man in eine Nebenstube, worin sanfte Dämmerung herrschte. Hier saß in einem Lehnstuhle eine junge Frau, welche ein ganz kleines Kind in einem Wickel- bettchen auf dem Schoße hatte.