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nisse, Wünsche und Neigungen nicht zu erkennen und zu würdigen vermögen, wenn sie nicht ein dem Kinde mehr sympathetisches Ele­ment hätten, als der Mann. Daß das tiefere weibliche Gefühls­leben, das sich vorwiegend dem Kinde gegenüber zeigt, sich auf die ganze Individualität des Weibes erstreckt und diese beeinflußt, ist natürlich. Außerdem ist ja bekannt, wie häufig der Lebensweg eines Menschen lediglich durch die Mutter bestimmt wird.

Die Thatsache, daß die Mütter die ersten und einfluß­reichsten Erzieherinnen sind, berechtigt zu der Folgerung, daß es der höchste Gewinn der Familie, des Staates und der Gesellschaft sein würde, in den Müttern zugleich die besten Erzieherinnen zu besitzen. Hieraus ergiebt sich aber als Aufgabe der Frauen, etwas Gründ­liches zu lernen, um diese ihre herrliche Naturanlage der Jugend gegenüber im vollen Maße verwerthen zu können.

Die Sorge, welche das Weib als Gattin dem Manne widmet, steht in zweiter Linie. Zunächst sorgt der Mann für sich selbst. Die Hülfe des Weibes ist für ihn in der Regel nur eine Hülfe. Als Gehülfin ist ihm das Weib vom Schöpfer beigesellt:

Ich will ihm eine Gehülfin machen, die um ihn sei."

1. Mos. 2, 18.

Ein denkender, gebildeter Mann wird sich daher befriedigt fühlen, wenn er bei der Gattin Verständniß und Mitgefühl findet. Ihm würde sicher eine Stütze seiner geistigen Kraft entzogen werden, wenn er nicht in der Theilnahme feiner Frau einer billigen Er­munterung, einer tröstenden Zuspräche beim Mißlingen seiner Pläne oder beim Widerstände der Gegner begegnete. Jedoch wird er mit ihr die Fragen des Lebens immer nur sehr im Allgemeinen be­sprechen." Ein tieferes Eingehen auf die Lebensfragen wird aus dem

*)Man darf wohl behaupten, daß sich im Allgemeinen der gesund organi- sirte Mann nicht deshalb verheirathet, um besser gewaschen, genährt und gepflegt zu werden, sondern lediglich um der Liebe und Freundschaft willen, und bis­weilen auch, weil er sich nach Kindern sehnt." Hedwig Dohm.

Der Mann bedarf des Weibes, das Weib des Mannes, das ist Naturgesetz. Er entbehrt außerhalb der Ehe nicht die Frau, nicht die Liebe. Die Frau aber entbehrt den Mann, wenn sie nicht aller Sitte Hohn sprechen und außer­halb der Gesellschaft stehen will.

**) R. Virchow:Ueber Erziehung des Weibes." Berlin 1865. Fr. Enslin.