Gegensatze zu dem, was sie von ihrem Zöglinge verlangt, und hebt somit ihre eigene Wirksamkeit auf, da im Vorleben, im Vorbilde, im Veranschaulichen die große Hauptsache der Erziehung selbst beruht. Die Erziehung bleibt unvollkommen, wo dieser Factor fehlt. Mit Bewußtsein wird die Frau nur das selbst sein und das Kind zu dem leiten können, was seine Bestimmung ist, wenn sie weiß, wozu der Mensch zu erziehen ist; daher muß sie von der Schule dahin geführt sein, die Aufgabe des menschlichen Lebens zu begreifen und zu überblicken. Sie hat nicht bloß nöthig, die Aufgabe der Frau allein begriffen zu haben, sondern hat ja auch den Knaben bis zu einem gewissen Alter zu erziehen; sie soll auch dem Jünglinge voran- leuchten, muß also einen Begriff davon besitzen, was die Aufgabe des Mannes ist. Sie muß die Pflichten kennen, für welche der Mann vorbereitet werden muß, wenn ihre erziehliche Einwirkung nicht zwecklos oder verderblich werden soll. Um diese Aufgabe in ihrer ganzen Wichtigkeit aufzufassen, muß die Frau Kenntniß haben von den gesellschaftlichen Zuständen, wie sie geschichtlich feststehen,

S diese können jedoch nur in der nationalen Auffassung verstanden ^ werden. Es ist daher unerläßlich, daß die Frau eine Kenntniß von der Nationalkultur besitze. Diese Forderung setzt nicht nur ein practisches, selbständiges Urtheil, sondern auch ein scharfes Erkennt­nißvermögen, sowie ein begründetes Wollen voraus. Noch aber reicht die Erfüllung dieser Bedingungen nicht hin, die Frau im vollsten Maße für ihren höchsten erziehlichen Beruf auszurüsten. > Die verschiedenen Entwickelungsstadien, welche der Mensch von sei-

* nem ersten Schrei an bis zu der Zeit, wo er einer absichtlichen er- ^ ziehlichen Thätigkeit entrückt wird ^ durchläuft, sind so mannigfaltig,

und die Anlagen und Neigungen so verschiedenartig, ja selbst auf den verschiedenen Stufen der körperlichen Entwickelung oft so eigen­artig, daß ein besonderes Wissen von dem Wesen des Menschen und " seiner Entwickelung dazu gehört, um nicht einer oft völligen Rath-

* losigkeit, selbst bei einer sonst ausgezeichneten allgemeinen Bildung, ^ anheimzufallen.^) Da der Geist und Körper im engsten Wechsel-

*)Je begabter ein Mensch ist, desto markirter tritt die Eigenart seines ? Wesens hervor; je geringer seine Begabung ist, desto schwerer läßt sich das H Charakteristisches eines Wesens erkennen."