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von vorn herein nicht mit vielen: Auswendiglernen zu behelligen, sondern dieselben mehr mit unbefangenem Gemüth die heilige Ge­schichte aufnehmen zu lassen, beigestimmt werden. Wenn es vorzugs­weise bei diesem Lehrobject darauf ankommt, daß den Mädchen die wahre Frömmigkeit frühzeitig Herzenssache werde, so sollte auch Alles, was sich auf die Religion bezieht, den Mädchen vor allen Dingen zu reiner Herzenssache gemacht und denselben die Angst, das Gehörte wieder zu geben, erspart werden. Macht sich doch heutzu­tage die Thatsache, ,daß auf das Wiedererzählen der biblischen Ge­schichten bei den kleinsten Kindern in der Regel zu große Sorgfalt gelegt wird, in der Weise geltend, daß der Schwerpunkt des Re­ligionsunterrichtes auf Kosten des Gemüthes verschoben und die Gedächtnißübung, sowie die Sprachfertigkeit in einer Weise behandelt werden, welche die zartesten Empfindungen für das Göttliche im kindlichen Gemüthe vernichten, anstatt dieselben zu beleben und einer harmonischen Entwickelung der übrigen Geisteskräfte nützlich zu machen. Der edelste Stoff, den die Schule überhaupt bietet, sollte in der liebevollsten und freiesten Art gegeben und aufgenommen werden. Es sollten die Religionsstunden Stunden der seligsten Freude sein; in ihnen sollte die Stimmung des tiefsten Friedens, den die Seele in der Gemeinschaft mit ihrem Gotte athmet, herrschen; in ihnen sollten die Schülerinnen zu einem lebendigen Gefühle der Gottesnähe geführt werden, um wahre Frömmigkeit in dem Herzen zu befestigen, nicht zur Fertigkeit, mit vielen Worten gelernte Dinge zu recitiren. Für das Entfalten eines wirklichen Glaubenslebens ist es nöthig, daß der Mensch die Erfahrung an sich selbst mache, die in dem Ver­kehr mit Gott sich kund gibt. Gerade in dem ersten Religions­unterrichte der Mädchen wünschten wir diese Erfahrung herbeizuführen. Der Stoff dieses Lehrobjectes kann, nachdem an die Pietät gegen die Eltern angeknüpft worden, im Wesentlichen die heilige Geschichte sein. Insofern sie dem Kinde vorgetragen wird, ohne die Forderung einer selbständigen Reproduction, insofern das Erzählte als An­knüpfungspunkt für gemüthvolle Gespräche dient, welche in dem Anschauungskreise des kindlichen Standpunktes liegen, wird dem Lehrer Gelegenheit gegeben, die Geschichte der Vergangenheit zu einem lebendigen Gegenwärtigen zu gestalten, was leider bei der gewöhn-