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Wie aller Unterricht, so muß auch der in Rede stehende seinen bildenden Einfluß auf das weibliche Gemüths) in der Weise geltend machen, daß er an die Sicherheit, Klarheit und Innigkeit geknüpft wird, mit welcher die Frau den Geist und die Schätze der Mutter­sprache zu erfassen vermag. Der elementare Unterricht hat daher dahin zu führen, daß die Zöglinge, die in der Schriftsprache nieder­gelegten Gedanken Anderer richtig aufzufassen vermögen und daß sie im Stande sind, die eignen geordnet, vollständig und correct münd­lich und schriftlich auszudrücken. Der Unterricht hat überhaupt das ganze Gebiet des gegenwärtigen Baues der deutschen Sprache in die Gewalt der Zöglinge zu bringen, indem er die einzelnen Stufen der Entwickelung des menschlichen Geistes berücksichtigt. Darnach hat dieser Unterricht sowohl das Gebiet der Sprachform zu seinem Objecte, indem er sie veranschaulicht und durch Einführen in das Sprachgefühl ihren rechten Gebrauch ermöglicht, als auch die weitere Aufgabe, die Sprachformen als aus der Art zu denken nothwendig hervorgegangen, darzustellen. Wenn dieses das end­gültige Ziel des Sprachunterrichts überhaupt ist, so ist die Betrach­tung der Sprachformen zum Zwecke der gefühlsmäßigen Aneignung derselben das nächste Ziel dieses Unterrichts. Demnach zerfällt der Unterricht in zwei Stufen, in die Bildung des Sprachgefühls und in die Bildung des Sprachbewußtseins.

Während die erste dahin führt, daß sich der Zögling gewisser­maßen von ihr beherrscht wisse, soll die zweite dahin führen, daß der Zögling die Sprache beherrsche. Jede umschließt ungefähr den Zeitraum von vier Schuljahren. Daß in diestr Zeit der Unterricht in der Muttersprache in der Allgemeinheit und Weite des Begriffs zur Anwendung kommt, in welcher derselbe von den niedrigsten Elementarstufen an bis zu den höchsten das Denken und Sprechen,

*) Es läßt sich freilich in allen Lehrobjecten etwas für die Gemüthsbildung thun; die Hauptsache aber bleibt das Gemüth des Lehrers selbst. Eine Eigen­schaft vor allen ist ihm nöthig: die Selbstverleugnung. Der Lehrer muß dem Täufer Johannes gleichen, der da spricht:Er muß wachsen, ich aber muß ab­nehmen". Wo in diesem Geiste gelehrt wird, da werden wir an Verständniß nicht zweifeln dürfen und können alle übrigen Bedenken fallen lassen.