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Gründen des Weltverkehrs in die höhere Töchterschule eindrang, so war es natürlich, daß der Unterricht eine demgemäße Behandlung erfuhr. Nachdem jedoch der Einfluß der französischen Literatur und Sprache auf die deutsche Bildung an Einfluß verloren hat, auch das Französische nicht mehr in der früheren Ausdehnung als Weltsprache dient, ist das Ziel des praktischen Gebrauches für die höhere Töchter­schule nicht zu betonen, zumal M^patriotiichen Rücksichte n dem selben hohe Sympathien nicht zur Seite stehen. "" "

Anders verhält es sich mit dem Englischen. Die englische Lite­ratur ist nicht nur reicher als die französische, sondern auch tiefer bildend und vermöge der zarten und innigen Empfindungen, die sich durchgehend darin offenbart, ganz besonders für die weibliche Bil- ' düng geeignet, obwohl wir davor warnen müssen, gerade die beiden größten Dichter Englands, Shakespeare und Byron, der Jungfrau als Lectüre in die Hände zu geben. Die englische Sprache liegt der deutschen näher, als die französische, leistet daher wegen des ver­wandtschaftlichen Baues mit dem Deutschen für den formalen Zweck weniger, als die französische. Für die Beibehaltung des Franzö­sischen in der höheren Töchterschule spricht jedoch sowohl die weite Verbreitung desselben, als der tiefe Einfluß, den dasselbe auf unser geistiges Leben geübt hat, und der Reichthum der Formen, sowie die logische Gebundenheit seines Satzbaues. Der Unterricht im Franzö­sischen ist daher so einzurichten, daß die Schülerinnen das Ziel er­reichen, bei Vermeidung grober Fehler ihre Gedanken über ein leichtes Thema niederzuschreiben, einem mündlichen französischen Vortrage zu folgen, über einfache Verhältnisse sich mit Leichtigkeit auszusprechen, auch ein schwierigeres Buch verstehen zu können. Wenn nun von verschiedenen Seiten die Behauptung laut wurde, daß es dem weib­lichen Wesen widerspreche, das Französische specifisch grammatisch zu behandeln, so können wi,r uns dieser Auffassung um so weniger an­schließen, als wir nicht anzunehmen vermögen, daß die Denkgesetze für die weibliche Natur anderer Art sind, als die der männlichen. Wenn dem Weibe überhaupt die Fähigkeit nicht abgesprochen werden darf, den Organismus einer leichteren Sprache zu erkennen, so glauben wir berechtigt zu sein, eine grammatische Ausbildung dieser Sprache in der höheren Töchterschule zu fordern. Selbstverständlich

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