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Mit Rücksicht auf die Herzens- und Gemüthsbildung der Mäd­chen im Besonderen wird mit der Gesangslust Einfalt und kindlicher Sinn geweckt und erhalten werden. Mithin sind stets nur solche Melodien zu wählen, die durch Wahrheit, Frische und Zartheit zum rechten Ausdruck des weiblichen Lebens werden können.

Der Gurnimlerricht.

Die Hauptquelle weiblicher Unschönheit ist die vernachlässigte Körperbildung. Mancherlei Rücksichten verhindern die weibliche Jugend, sich gleich den Knaben eine der körperlichen Entwickelung und Gesundheit zuträgliche Motion zu machen.

Es haben daher Aerzte und Pädagogen die weibliche Gymnastik als pädagogisches, diätetisches und Präservatives Mittel zur Aufnahme in die Erziehung der weiblichen Jugend empfohlen. Durch Ein­führung des neueren (Spieß'schen) Systems, welches nicht in einer Reihe von indifferenten Leibesfertigkeiten, sondern in einer natur- und vernunftgemäßen anatomisch begründeten Lehre und Kunst der Leibesübung besteht, hat dieselbe mehr und mehr Verbreitung gefun­den. Eine sorgfältige Berücksichtigung der physischen und psychischen Eigenthümlichkeiten des weiblichen Geschlechtes ist bei Ertheilung dieses Unterrichts erstes Erforderniß. Die beabsichtigte leibliche Aus­bildung darf nicht auf Kosten der zarten Weiblichkeit in eine spar­tanische Härte oder athletische Künstelei ausarten und die Zartheit der Empfindungen nicht vertauscht werden gegen ein keckes, kühnes, männliches Wesen, wie andererseits auch jene oberflächliche Anstands- übung und Komplimentirkunst zu vermeiden ist. Das kräftigende und geschmeidige Element der Körperübungen mit dem gefälligen und verschönernden zu verbinden und das Turnen so vielseitig und be­sonders für die Zwecke der Heilkunde und der edelen Erziehungskunst anwendbar zu machen, ist Aufgabe der weiblichen Gymnastik.

Während das Ziel des Turnunterrichts bei den Knaben dahin geht, Kraft, Gewandtheit und Muth zu erstreben, muß durch densel­ben bei Mädchen vorzugsweise die Gesundheit und Anmuth*) der

*) Die Schönheit des Körpers, mittelbar auch die der Seele.

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