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zeichnen, da sie sich im Allgemeinen schwer in die Natur und das Wesen dieser Kleinen werden versenken können. So bleibt uns also nur noch übrig, Lehrer und Lehrerinnen neben einander, die an Jahren, Geist und Gemüth der zarten Mädchenseele am nächsten stehen, für den Anfangsunterricht in Töchterschulen auszuwählen, in der Erwartung, daß Dasjenige, was den jungen Lehrerinnen an praktischem Lehrgeschick mangeln sollte, durch eine von der Liebe zu den Kleinen dictirte gemüthvolle Hingabe an jene in gewissem Sinne ersetzt werde. Was die gemüthvolle Seite im Lehrerberufe betrifft, so werden ohne Frage darin Lehrerinnen ihren Geschlechtsgenossen näher stehen, als Lehrer. In den mittleren und oberen Klassen der Töchterschule dagegen werden die vorzugsweise wissenschaftlichen Fächer den Lehrerinnen nur im beschränkten Maße zuzutheilen sein, weil ihnen mehr oder weniger die vorauszusetzende wissenschaftliche Bildung, welche hier ein erfolgreiches Wirken zur Bedingung hat, mangelt.

Selbstredend werden Lehrerinnen für Nebendisciplinen schon aus Erziehlichkeitsrücksichten in höheren Töchterschulen als geeignet bezeichnet werden können.

Außerdem wird bei der Wahl von Lehrkräften nicht nur auf eine allseitige Befähigung im Unterrichte, sondern auch hauptsächlich darauf Bedacht zu nehmen sein, daß Lehrer und Lehrerinnen so be­schaffen sind, daß sie als stete Vorbilder den Schülerinnen gelten können, da letztere nur zu leicht jeden Mangel und jede Schwäche, welche ihrem Erzieher anhaften, entdecken.^) Daß Mädchen über­haupt sich das einmal gebildete Ideal fester einprägen oder erhalten als Knaben, denen ein solches im geräuschvolleren Treiben ihres Lebens nur zu leicht verwischt wird oder ganz verloren geht, bedarf kaum der Bestätigung. Vor allen Dingen bleibt das Haupt-Ideal der Dirigent der Schulanstalt. Die Forderungen, welche wir an die Lehrer und Lehrerinnen zu stellen berechtigt sind, fallen in er-

*) Beim Unterrichte sind die Personen die Hauptsache, nicht die Bezeichnung der Fächer; während diese die Ideale ausstellen, müssen jene die Ideale ver­wirklichen.