NOTIZEN

Stellung als erwerbende, arbeitende Menschen nicht mehr passen, so leben sie dahin, sterben innerlich langsam ab, bevor sie wirklich gestorben sind. Sie leben das Schicksal aller Frauen, die dem Drucke erliegen, den eine veraltete Anschauung auf sie ausübt. Dass die Lehrerinnen aus eigener Kraft, aus sich selbst heraus sich anschliessen würden an den grossen Kampf, den die Lehrerschaft um die Besserstellung ihrer Lage begonnen, ist mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Die, welche die Noth und die Erkenntniss ihrer Lage in die Reihe der Kämpfer führt, werden an der energischen Geltendmachung ihrer Forde­rungen gehindert durch jene Colleginnen, die nicht von ihrem Gehalt leben und die deshalb nicht genügende Energie aufbringen, um sich ihren kämpfenden Berufsgenossinnen an die Seite zu stellen.

So sieht der Lehrerinnenberuf in Wahrheit aus. Manche Mutter wird hinter dem »Fräulein«, mit dem sie über die Fortschritte ihrer Tochter spricht, nicht die Prole­tarierin vermuthen, die sie wirklich vor sich hat. Und was das Traurigste an der Sache ist, die meisten gestehen sich ihre Lage selbst nicht ein. Erst eine Aenderung unseres ganzen Schulwesens, der Gesetze, eine Erhöhung der Ent­lohnung kann da Abhilfe schaffen. Und dass dies wirklich zustande komme, dem nachzustreben ist Pflicht nicht nur jeder Lehrerin, sondern auch eines Jeden, der eine wirk­lich freie, gute Schule für seine Kinder haben will.

Eine Lehrerin.

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ER ANSTURM GEGEN DAS REICHSVOLKSSCHUL-

I J GESETZ AUS DEM JAHRE 1869 wird von den Clericalen und Christlichsocialen mit besonderer Hartnäckigkeit immer wieder unternommen. Wenn die Trennung der Kinder nach Confessionen den Uebergang zur confessionellen Schule zu bilden bestimmt ist, so trachtet man auf der anderen Seite, das Verbot der körperlichen Züchtigung zu umgehen und schliesslich ausser Acht zu lassen und so der Concordatsschule um ein Erhebliches näher zu kommen.

Die christlichsociale »Oesterreichische Frauenzeitung« spricht sich in ihrer Nummer vom 9. December 1898 entschieden dahin aus, dass die heute in den Schulen erlaubten Disciplinarmittel nicht aus­reichen, und dass der überhandnehmenden Verwahrlosung der Jugend gegenüber »wenigstens die Ruthe ein wunderbares Heilmittel« wäre. Und dieses Heilmittel in Anwendung zu bringen, hindere nur der Widerstand der Socialdemokraten, denen ja nichts daran liege, wenn »hiedurch Tausende um ein zufriedenes und glückliches Dasein ge­bracht werden«, und die um so früher an ihr Ziel zu kommen hoffen, »je wilder die Jugend aufwächst«.

Es würde sich vielleicht der Mühe verlohnen, einmal zu unter­suchen, ob Verbrecher und früh verdorbene und auf Abwege ge- rathene Menschen in ihrer Kindheit zu viel oder zu wenig geprügelt wurden. Eine solche Untersuchung würde wohl ein ganz anderes Resultat ergeben, als es den Christlichsocialen passen mag.

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