VON RICARDA CECCONI-HUCH

irdischen ungehorsam zu sein oder bei dem letzteren aus­zuharren. Ich beantwortete diesen Brief folgendermassen: »Frau, wenn Sie ins Kloster gehen, entwenden Sie Gott eine Seele, nämlich die Ihres Mannes, der mit Weltlust voll zu sein scheint und ohne Sie vielleicht zur Hölle fahren müsste. Bessern Sie ihn durch das Beispiel Ihrer Tugend, bis er selbst vor den irdischen Plagen sich ins Kloster zu flüchten sehnt und gehen Sie dann in Gottes Namen mit­einander.«

Der zweite Brief war ebenfalls von einer Dame, welche, um im Glauben gestärkt und vom Verderben errettet zu werden, eine Unterredung mit dem heiligen Bruder wünschte und ihn auf die Dämmerstunde eines bestimmten Tages zu sich einlud. Diesen Brief hielt ich für das beste, unbeant­wortet zu zerreissen.

Der dritte war von des Bruders Abte, der sich be­klagte, dass er schon lange ohne die schuldige Bericht­erstattung bleibe, ferner, dass der Bruder, wie ihm zu Ohren gekommen sei, bei seinen Predigten oft ins Blaue fahre und nicht daran denke, der alleinseligmachenden katholischen Kirche die Ehre zu geben. Nach einigen Bedenken ant­wortete ich so: »Hochehrwürden, über das, was ich predige bin ich nicht Herr, denn es ist Eingebung, und zwar wie ich glaube und hoffe des guten, nicht des bösen Geistes. Dass Hochehrwürden so lange keine Nachricht von mir empfangen haben, ist die Schuld meines Secretärs, den ich wegen dieser Nachlässigkeit scharf getadelt habe.« Eben als ich dies geschrieben hatte, trat Fra Celeste wieder ein und verlangte, meine Arbeit zu prüfen. Nachdem er die beiden Briefe gelesen hatte, lobte er mich sehr und bat mich, bei ihm zu bleiben; er sei zufrieden mit mir.

Von diesem Augenblicke an blieb ich der Gefährte dieses einzigen Mannes, hatte mein Zimmer unmittelbar neben dem seinigen und begleitete ihn auf seinen Reisens denn nun kam die Zeit, wo alle Städte unseres Lande; wetteiferten, ihn in ihren Mauern zu empfangen. Die erste Reise, die wir zusammen unternahmen, ging nach seiner Vaterstadt, die er wiederzusehen wünschte. Dort ereignete es sich, dass bei der ersten Predigt, die er hielt, eine vor­nehme, reich und edel gekleidete Dame, während er in einer Pause angab, worüber er das nächste Mal predigen würde, von einer Ohnmacht angewandelt wurde. Sie erholte sich aber sogleich und drängte sich am Schlüsse, obschon es ihr sichtlich ungewohnt und zuwider war, sich im Volks­gewühl zu bewegen, dicht zu Fra Celeste hin, der sie mit einer Geberde des Abscheus oder Zorns zurückstiess. Als ich mit dem Bruder allein war, sagte ich hierauf bezüg­lich : »Nun glaube ich wirklich, dass uns der Teufel in Gestalt von Frauen versucht; denn wenn Sie nicht den ver-

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