FRA CELESTE

kappten Satan in jener lieblichen Dame durchschaut haben, begreife ich nicht, wie Sie die Kraft haben konnten, sie so hart zurückzustossen.«

Damals hatte ich den Bruder noch nicht in der flie­genden Wuth gesehen, daher erschrack ich nicht wenig, als seine stillen, schattigen Augen plötzlich gross und fürch­terlich wurden und er so mit gezückten Schwertblicken hart vor mich trat. »Ist das deine Andacht,« rief er, »dass du nach den Frauen umherschaust? O ekelhafte Schwäche und Verderbniss dieses Kothleibes! Erröthest du nicht über deine Zuchtlosigkeit, wenn du dein keusches Jugendgesicht im Spiegel betrachtest, das Gott dir gegeben hat? Wenn du es besudeln solltest mit Gedanken oder Thaten, verlasse dich auf mich, dass ich dich umbringe mit diesen meinen Händen.«

Dabei war sein ganzer Körper gewaltsam gespannt, und seine Hände, die ich bisher nur schwermüthig ruhen oder einen Nachdruck der Rede mit gleichgiltig stolzer Geberde hatte begleiten sehen, bekamen etwas so ehernes und un­erbittliches, dass ich, ohne es zu wollen, ein wenig vor ihm zurückwich. Aber trotzdem es mir nicht recht geheuer war, entzückte mich der Anblick des feuerspeienden Mannes, wie man bei Ungewittern, Wolkenbrüchen und Stürmen zu­gleich vor Angst und vor Wonne schaudert. Ich segnete den Umstand, dass Küsse kein rothes Mal oder sonst eine Spur zurücklassen, denn ich zweifelte nicht, der Bruder würde mich stehenden Fusses erschlagen, wenn er wüsste, dass ich die Lockungen meines unruhigen und naschhaften Herzens zuweilen erfolglos bekämpft hatte.

Uebrigens legte sich das Wetter so schnell es ge­kommen war, vielleicht unter dem Eindruck meiner er­schrockenen und liebenden Blicke; wenigstens behandelte mich Fra Celeste im Verlaufe des Tages mit so engel­gleicher Zartheit, dass ich mich mitten im Himmel wähnte und mir schwur, künftig dem erhabenen Beispiel meines Herrn nachzueifern und aller Frauenliebe zu entsagen, um mich ihm ganz ohne Einschränkung zu ergeben.

Am folgenden Morgen fiel mir unter den eingelaufenen Briefen sogleich einer durch die reizende, sichtlich einer Frau gehörige Handschrift auf. Die Buchstaben waren kühn, schlank, behend und prächtig und tanzten in so anmuthigen Neigungen über das Papier, als ob sie mit den Augen des Lesers kokettiren wollten. Zu meinem wachsenden Erstaunen las ich nun Folgendes: »Dolfin, ich habe Dich erkannt und Du hast mich von Dir gestossen. Als ich Dich sah, ver­wandelte sich mein Blut inThränen und meine Thränen wurden Blut. Liebst Du mich denn nicht mehr? Ich liebe Dich so sehrl Ich will Heimat, Eltern und Mann verlassen und die Deine sein. Lass mich, sag nicht Nein zu meinem Herzen. Wenn Du mich rufst, komm ich und bleibe bei dir ewig. Aglaia.«

24