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gemein bekannt und von Niemanden verkannt zu fein fcheinen. Wenn man aber in den daraus mit Nothwendig- kcit hervorgehenden Schlüffen und Folgerungen fo koloffal fehl geht und fich vergeht, wie es in den eben erwähnten Erfcheinungen der Beurtheilung und Behandlung des ärzt­lichen Studii und Handelns der Fall ift, dann mufs man es fich gefallen laffen, immer und immer wieder auf die alltäglichften und allbekannteften Dinge aufmerkfam ge­macht zu w r erden, damit man fich herbeiläfst und entfchliefst, auch die nothwendigen Folgen anzuerkennen und ihnen gemäfs zu handeln.

Ich denke, heut zu Tage ift man felbft in den ein- fachften Kreifen des gebildeten bürgerlichen Lebens dahin gekommen, einzufehen, dafs man die Erfcheinung des Men- fchen (um bei ihm allein flehen zu bleiben) nicht als ein für fich beftehendes unbegriffenes und unbegreifbares Räthfel, als einmal gegebene Exiftenz, betrachten kann, deren Be­dingungen ein für allemal nicht beizukommen ift; auf die man da und dort einzuwirken verfucht, fo gut es eben geht, über die zu einer Einficht zu kommen, man aber verzichtet. Im Gegentheil hat fich doch wohl ziemlich all­gemein die Ueberzeugung verbreitet, dafs der menfchliche Organismus ein aufferordentlich fein und complicirt zufam- mengefetzter Apparat ift, deffen Thätigkeit die Folgen zahllofer chemifcher und mechanifcher Bedingungen und Urfachen find. Wer davon nur irgend eine Vorftellung hat, dafs man eine künftlich zufammengefetzte Uhr, eine Dampfmafchine in ihren Effedten gar nicht verliehen, nicht beurtheilen, nicht reguliren, nicht bei erfolgter Störung wieder herftellen kann, ohne dafs man die chemifche und mechanifche Zufammenfetzung diefer Apparate und die Gefetze, nach welchen fie wirken, kennt: der hat doch wohl auch eine Einficht darüber, dafs diefes Alles in weit erhöhtem Maafse von dem menfchlicben Organismus gilt. Wenn er auch weis, dafs alle unfere chemifchen und phy-

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