5

Längft* weis man aber, dafs der Menfch nur als der Schlufsftein und als das vollkommenfte Endglied der ganzen Reihe der organifchen Wefen zu erfaffen ift, und dafs er zahllofe feiner Eigenfchaften und Erfcheinungen mit den übrigen organifchen Wefen theilt. Diefe Erfcheinungen treten hier oft einfacher, weniger complicirt auf, und was hier als Gefetz und Wahrheit ermittelt worden, das behält feine Gültigkeit und feinen Werth auch für den Menfchen, ja wird hier von ganz entfcheidendem Werthe, weil die Erfcheinungen bei dem Menfchen felbft fo zufammengefetzt auftreten, dafs fie nur durch ihre Zerlegung in ihre einzelnen Factoren unferer Einficht irgendwie zugänglich werden.

Diefes bedingt für den Arzt das Studium der gefamm- ten organifchen Natur, und fo ficher es ift, dafs der Ein­zelne diefe ungeheure Aufgabe nie und nimmermehr ihrem ganzen Umfange nach zu löfen vermag, fo unzweifelhaft logifch richtig ift es doch, dafs nur derjenige Arzt, der feinen Geift an dem Studium der organifchen Natur über­haupt gebildet und gefchult hat, im Stande ift, die Er­fcheinungen des zufammengefetzten Organismus des Men­fchen irgendwie befriedigend aufzufaffen und zu verliehen. Wer wird irgend Jemanden zumuthen oder von Jemanden erwarten, dafs er einen höchft zufammengefetzten mechani- fchen Apparat, einen künftlichen Webftuhl, eine Dampf- mafchine, eine Uhr irgendwie richtig kennen gelernt haben kann, wenn er nicht vorher viel einfachere Apparate nach ihrer Zufammenfetzung und gefetzlichen Wirkfamkeit ftudirt hat? Der menfchliche Organismus und die menfchliche Natur ift, foweit diefes überhaupt möglich, nur von Dem­jenigen zu erfaffen, der fich mit der organifchen Natur überhaupt vertraut gemacht hat.

Diefe Aufgaben der Mathematik, Phyfik, Chemie und des Naturftudiums überhaupt, find fo fchwierig und fo ura- faffend, dafs nur bei einer fehr gründlichen Schulung und Entwicklung der Kräfte und Fähigkeiten des Individuums,