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eine Möglichkeit zu ihrer irgendwie genügenden Löfung lieh ergeben kann. Eine durchgeführte Schulbildung ift bis jetzt noch immer als die nothwendigfte Vorbedingung für das ärztliche Studium betrachtet worden, und noch ift es keineswegs entfehieden, ob dazu eine realiftifch-mathema- tifch-phyfikalifche Bildung ausreicht, oder nicht jene geiftige Entwicklung des Denkvermögens abfolut erforderlich ift, wie fie bisher nur durch das Studium der alten Sprachen, als einer der höchften Bliithen des menfchlichen Geiftes, erlangt werden konnte.

Auf Grund einer fo umfaffenden Vorbildung hat fich der künftige Arzt fodann mit dem menfchlichen *Körper in feinen gefunden und krankhaften Verhältniffen bekannt zu machen. Die Einrichtung und der Bau des menfch­lichen Körpers mufs ihm ganz genau bis in feine feinften Einzelheiten bekannt fein; er foll die Verrichtungen aller Organe defselben nach ihren Bedingungen und Ab­hängigkeit von äufseren und inneren Einflüffen kennen. Hierauf foll er fich mit dem ganzen Heere innerer und äufserer Krankheiten, ihrer Natur, Erkenntnifs und den gegen diefelben anwendbaren Heilmitteln bekannt machen, und fich zugleich die mannigfachen technifchen Fertig­keiten und Gefchicklichkeiten aneignen, welche zur Be­handlung innerer und äufserer Krankheiten erforderlich find.

Wenn nun der Arzt alle feine geiftigen und körper­lichen Fähigkeiten in folcher Weife zur möglichften Aus­bildung gebracht und eine möglichft grofse Summe von erfahrungsmäfsigen Kenntniffen über den menfchlichen Or­ganismus im gefunden und kranken Zuftande gefammelt hat, fo tritt jetzt erft recht eigentlich die Prüfung feiner Befähigung zum Arzte an ihn. Gelangt er nun an das Krankenbett, fo geben ihm alle feine angefammelten Kennt- niffe noch keineswegs die directen Mittel an die Hand, wie er in dem individuellen P'alle zu handlen hat. Da der menfchliche Organismus keine in gleichförmiger Wie-