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bereitet hat. Dabei kommt seine ganze individuelle Be­fähigung und die Entwicklung derfelben durch seine Arbeit in Betracht; bei dem Einem wird diefe, bei dem Anderen jene Seite die bevorzugte und befähigtere fein. Allein nie wird die Wiffenfchaft Denjenigen als einen Arzt anerkennen und anerkennen können, der nach Vorfchriften und Recepten arbeitet.

Aus diefem Grunde ift die ärztliche Praxis kein Handwerk, und wird es nie fein, und wenn auch taufend Gefetzgebungen ihre Carricaturen unter die Gewerbe verfetzen.

Ganz gewifs ift es wahr, dafs viele Aerzte den an fie zu {teilenden Anforderungen nicht entfprechen. Ihrer Befähigung, ihrem ganzen Entwicklungsgang, ihrem Stre­ben nach find fie keine frei geiftig producirende und denkende Forfcher und Künftler, fondern Handwerker, die mit dem mehr oder weniger grofsen Vorrathe ihrer erlernten Vorfchriften arbeiten, und dem eigentlichften Zwecke ihrer Thätigkeit nicht entfprechen. Allein einer Seits ift die Natur der Sache, die wechfelnde individuelle Mannigfaltig­keit der Krankheit, eine fo hervortretende und zwingende, dafs dennoch die Mehrzahl der Aezte ihr bewufst oder un- bewufst, befähigt oder unbefähigt, nachleben mufs, anderer Seits entfeheidet das Verfehlen eines Zieles. nichts über diefes Ziel felbft, feine Nothwendigkeit und feinen Werth. Giebt es unter hundert Aezten neun und neunzig Hand­werker und auch nur einen einzigen gebildeten felbftftändig denkenden und handlenden Geilt, fo entfeheidet doch nur diefer Eine über die Natur, die Art und den Werth der ärztlichen Praxis, und nur von diefem Einen geht der Fortfehritt, die Weiterbildung der ärztlichen Einficht und des ärztlichen Handlens aus. Er allein ift der wirkliche Repräfentant der Medicin, er allein verwirklicht ihre Forder­ungen, er -allein vertritt aber auch ihre Rechte, und