9

wiclerfetzt fich allen handwerksmäfsigen Zumuthungen und handwerksmäfsiger Beurtheilung.

Ich will hier keinen vergleichenden abfoluten Werth- mafsftab an die Medicin und andere wiffenfchaftliche und zugleich in das fociale Leben eingreifende Richtungen, wie Jurisprudenz, Theologie, Lehramt, Pädagogik etc. anlegen. Allein da letztere und befonders die Jurisprudenz durch ihren Einflufs auf die Gefetzgebung' in vielen Fällen tief und entfcheidend auch auf die Medicin einwirken, fo ift es dennoch nothwendig hervorzuheben, dafs fie fich in Bezieh­ung fowohl auf ihre Ideale als die Realifation derfelben im Leben, in durchaus keinem anderen Verhältniffe befinden, als die Medicin.

Was zunächft die Summe des Wiffenswerthen und Notlügen betrifft, fo kann fich in diefer Hinficht keine der genannten Disciplinen mit der Medicin meffen. Wirklich ift es wahr, dafs der Arzt: die grofse und kleine Welt durchftudiren mufs, um fich für feinen Beruf vorzubereiten; Natur und Menfchenkenntnifs ift ihm in einem Grade noth­wendig, wie fie die übrigen Disciplinen in keinem höheren Maafse erfordern. Darin liegt zugleich der Beweis, dafs auch die Mittel zur Löfung der Aufgabe keine niedrigen find. Die Gabe der Beobachtung, die Unbefangenheit und Schärfe des Urtheils, die Forderung der Abftraötion von der Einzelheit der Erfcheinung zu einer allgemeinen Er- kenntnifs, gelten für die Medicin zuverläffig nicht minder als für Theologie, Jurisprudenz etc. Die Idee des Rechtes und der Religion, fleht in keinem Falle höher, als die des Lebens, des körperlichen wie geiftigen überhaupt, welche für den Arzt die letzte und höchfte Aufgabe bildet.

Niemand wird aber läugnen können, dafs auch die Juriften, Theologen, Lehrer etc. ihre Ideale im Leben nicht oft verwirklichen. Auch bei ihnen ift die grofse Anzahl Handwerker, die nach vorgefchriebener Schablone arbeiten, geiftlofe Aölenfabrikanten, Wortklauber und Rechtsverdreher,