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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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wieder erlifcht. Leider haben fie aber auch felbft meiftens nur geringen Corpsgeift, find Skeptiker gegen ihr eigenes Willen und Vermögen, Egoiften in Beziehung auf ihre Collegen, und fpüren den Teufel meiftens erft dann, wenn er fie am Kragen hat. Es liegt das Alles ganz in der verfchiedenen Natur des Studii und feiner Aufifaffung. Juriften und Theologen find meift Infallibiliften und von ihrer Unfehlbarkeit vollkommen überzeugt. Sie fchwören auf ihre Gefetze und Dogmen und verfolgen, beftrafen und verketzern und verbrennen Diejenigen, welche fich ihnen nicht unterwerfen und ihnen nicht glauben. Es gab eine Zeit, da war es in der Medicin auch fo, da war der Auto­ritätsglaube und das Autoritätsanfehen ebenfalls fehr grofs, da waren die Vorfchriften der Coryphäen unantaftbare Glaubensartikel. Schüler und Patienten fchwuren in Verba Magiftri und das Anfehen der Aerzte war fehr grofs. Aber der unaufhaltfame Fortfehritt der Wiffenfchaft untergrub nach und nach diefen guten Glauben an Autorität und an Sich felbft, und lehrte, dafs je mehr man wufste, man um fo weiter fich von abfolutem Wiffen entfernt fieht. Gerade die gröfsten Aerzte und Naturforfcher find am entfernteften davon, fich als unfehlbare Autoritäten zu betrachten, ken­nen am vollkommenften die Unzulänglichkeit unferes Wiffens und Könnens gegenüber den noch fo verborgenen Gefetzen der organifchen Natur, und »weil fie fich nicht felbft vertrauen, vertrauen ihnen auch die anderen Seelen nicht!«

So ift es gekommen, dafs je mehr die Medicin in der That fortgefchritten ift, um fo mehr hat fie an Anfehen verloren. Je fchwieriger ihr Studium und je gröfser feine Anforderungen geworden, weil die Autorität verfchwunden, um fo mehr finden fich dreifte Eindringlinge, die auf die alte Infallibilität und ihre Anhänger im Publicum fpeculiren. Es wird einft fo auch mit der Jurisprudenz und Theologie gehen; wahrfcheinlich mit letzterer zuerft, da fie hartnäckig