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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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ihre Infallibilität dem gefunden Menfchenverftande gegen­über aufrecht zu erhalten fich bemüht.

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Die Bedeutung des Arztes aber für den Staat hat keineswegs abgenommen, vielmehr fteigt fie, je gröfser die allgemeine Bildung wird, denn um fo gröfser wird das Be- dürfnifs: Leben und Gefundheit durch zweckmäfsige Ein­richtungen und Mittel zu fchützen und aus Gefahren zu retten. »Der Arzt übt in gebildeten Staaten einen fehr grofsen Einflufs auf das körperliche und fittliche Wohl der Familien und dadurch auf die Kraft des Volkes aus«: fagt ein bewährter und erfahrener alter Arzt und Lehrer*), und »die Bildung des ärztlichen Standes greift mehr als die irgend eines anderen tief in die Lebensverhältniffe aller Stände ein«, fchreibt mir derfelbc als Refultat feiner lang­jährigen Erfahrungen.

Ich halte es endlich für durchaus nothwendig, auch noch darauf aufmerkfam zu machen, dafs an den Arzt auch eine bedeutende Anforderung von körperlicher Kraft und Leiftungsfähigkeit gemacht wird. Nicht nur, dafs er überhaupt einen fehr anftrengenden Beruf zu erfüllen hat, Tag und Nacht, zu jeder Jahres- und Tageszeit, bei jeder Witterung zur Hülfe bereit fein mufs, in den Städten alle Strafsen und Häufer betreten, im Keller und über vier Stiegen, in kalten und überhitzten Räumen aushalten, auf dem Lande ftundenweite Wege zu Fufs, zu Pferd und zu Wagen zurücklegen, fich den nachtheiligften Einflüffen aus­fetzen mufs, und dennoch gefund bleiben foll; auch viele feiner fpeciellen Leiftungen erfordern oft einen bedeutenden Kraftaufwand. Man fehe einen Operateur am Operations- tifch, einen Geburtshelfer bei fo mancher fchweren Ent­bindung, und man wird fich überzeugen, dafs nur ein

*) Jüngken: Promemoria, die medicinifchen Studien, Prü­fungen und die Stellung der Aerzte unter das neue Gewerbe- gefetz. Berlin 1872.