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Der Stadtarzt sagt:Unsere Clienten verlangen von uns ununterbrochene,*) stete Hilfsbereitschaft, diese kann die Frau nicht leisten; die Frau findet daher gewiss nur eine geringe Praxis, einen kärglichen Lohn, der der geleisteten Mühe und langen Dauer des Studiums nicht entspricht. Ausserdem ist ja bekannt, dass in den Städten eine Ueberzahl von Aerzten existirt, die einen weiteren Nachschub nur für beide Theile erschwerend erscheinen lässt.

Es bleibt nur das Specialistenthum. Doch ist dies in all seinen Zweigen schon so vielfach von dem Arzte be- und übersetzt, dass eine Frau auch hier nur schwer ihr Brot sich erringen wird. Die öffentliche An­stellung eines weiblichen Arztes als Sanitätsperson wird sich die Regierung jedes Staates wohl noch lange über­legen. Dass Baron Kallay in den von ihm so ruhmvoll administrirten Occupationsländern Bosniens und der Herzegowina zwei weibliche Aerzte anstellte, hat in Folge der dortigen confessionellen Verhältnisse keine präjudi- eirende Beweiskraft, und wird wohl bisher mehr deren Ausdauer und Eifer als ihr factischer Erfolg hervor­gehoben. Die jüngste Ernennung einer Genfer Aerztin als Untervorsteherin im k. k. Officierstöchter-Institute in Wien ist wohl mehr eine Protectionssache als eine gar so erstrebenswerthe Position für den weiblichen Arzt.

*) Die aus der physiologischen Beschaffenheit der Frau wohl erklärliche Discontinuität der Arbeitsleistung illustrirt sehr deutlich der Bericht des Wiener Schulrathes pro 1894/95 an den Magistrat, wonach in dieser Zeit die Zahl der Absencen der Lehrerinnen genau doppelt so gross war wie die der Lehrer.