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Aber dieses Schlagwort hat noch eine andere Seite, die ins eigene Fleisch drückt.

In dem Momente, wo man von vorneherein der Frau nur einen Theil der ärztlichen Praxis übergeben will, sie nur als Frauen- oder Kinderärztin sehen will, drückt man das ärztliche Niveau der Frau sofort in den Augen des Publicums herab, und deren Wissen wird als einseitiges, deren Können als halbes angesehen, und der Fluch der Frauenarbeit, dass sie minderwerthig sei, gelangt auch hier zur vollen, für die Aerztin selbst traurigsten Geltung.

Ausserdem kann nur ein Laie dafür stimmen, dass die Frau nur als Frauenärztin prakticire. Gerade die Gynäkologie ist heute ein eminent chirurgisches Fach, das vom Arzte ganz gewaltige physische Kraft und Ge­wandtheit, psychische Euhe und Energie verlangt, An­forderungen, denen die Frau gerade am wenigsten ge­wachsen ist.

Als Kinderärztin mag wohl die Frau die beste Eignung haben, dies sei gerne zugegeben.

Fassen wir nun alles obig Gesagte zusammen, so sind wir zu dem Schlüsse gedrängt, dass die Frau unter allen geistigen Berufsarbeiten am wenigsten zur Aus­übung der ärztlichen Praxis geeignet erscheint, dass dem ärztlichen Berufe in seiner Totalität nur ein ganz geringer Bruchtheil besonders glück­lich und gut veranlagter Frauen wird mit ge­wissem Erfolge vorstehen können, dass aber die grösste Mehrzahl der den ärztlichen Beruf aspirirenden Frauen nur eine ganz kärgliche moralische und materielle Befriedigung in demselben finden wird.