IX

alle jene Dinge, welche die Frauen der verschiedenen Völkerschaften Oesterreichs für den Gebrauch im eigenen Hause, in der Familie, zum Schmucke und zur Zierde verfertigen, alle jene Arbeiten, welche nicht für den Markt, sondern in Befolgung alter, traditioneller Her- kömmlichkeit seit Jahrhunderten für die Bedürfnisse des eigenen Volkes von Frauen geschaffen werden. An der Ausstellung, die vor uns liegt, haben sich Steicrrnark, Krain, Tirol, Dalmatien, Mähren, Schlesien, Galizien und die Bukowina, somit der fernste Süden und der höchste Norden Oesterreichs betheiligt. Wir sehen da die gold- dnrchwebten kronenartigen Hauben, welche die Frauen Stciermarks zum Sonutagsputze tragen, die schwere, braune Lodenjacke Tirols reich mit bunter Stickerei bedeckt, da sind die silberglitzernden Mützen, die Gürtel, die gewebten Satteltaschen, die Prächtigen, mit orienta­lischer Farbenmischung gewebten Teppiche Dalmatiens; da sind die gestickten Bauernhemden, Schürzen, Kopftücher, die faltigen Hals­krausen, die golddurchwirkten Mieder und seidenen Unterleibchen, die viele Ellen langen Strümpfe, die uns theils Mähren, theils Schlesien zugesandt; aus Galizien und der verwandten Bukowina sind da die langen, talarartigen Hemden aus selbstgewebten Linnen, auf Brust und Aermcl mit bunter Stickerei bedeckt, da sind die schweren, wol­lenen Tücher, mit welchen sich die Frauen statt der faltigen Röcke umgürten, da sind die kurzen Oberhemden mit Seide, Gold- und Silberflitter in bunten Arabesken geschmückt, da sind die langen, gestickten Tücher, welche die Frauen nach Schleierart zum Kirchgang tragen, die graziösen, turbanartigen Frauenmützchen, dicke, wollene Teppiche, durchsichtige Spitzen, schmale Perlenbänder.

Diese Arbeiten bergen einen reichen Schatz von Belehrung von räthselhaften Erscheinungen, von Schönheit und von urwüchsiger Kraft. > Wir begegnen da Farbenmischungen, welche die modernen Industriearbeiter: der Frauen kaum mehr kennen, wir sehen da Zeich­nungen, die mustergiltig sind, Stickarbeiten, deren Technik aus dem Oriente herübergenommen erscheint und im Abendlande sonst allüberall fehlt. Wie sind diese Kunstfertigkeiten in die einsamen, von Cultur und Weltbewegung so weit entlegenen Dörfer gekommen? Wie ist Sitte