JOSEF LEITER

FABRIK CHIRURGISCHER INSTRUMENTE ünd MEDICINISCHER APPARATE

WIEN.

n dem Ruhme der Wiener medicinischen Facultät hat insbesondere die Chirurgie bedeutenden Antheil genommen. Mit den Fortschritten der Chirurgie wuchs die Zahl der Apparate und Instru­mente, deren sich jener Zweig der ärztlichen Kunst bediente, und die Arten derselben wurden immer mannigfacher. So entstand förmlich ein neuer Industriezweig, der sich ausschliesslich mit der Her­stellung der nöthigen Geräthe beschäftigte und dessen Leistungen für die Entwickelung der Chirurgie nicht ohne Bedeutung waren. Unter jene Männer, welche durch Beschaffung der technischen Behelfe den damaligen Meistern der Chirurgie bei ihren segensreichen Forschungen und Arbeiten behilflich waren, ist auch Josef Leiter, der Gründer der den gleichen Namen führenden Fabriksfirma, einzureihen, welcher, von den Grössen jener Zeit angeregt und unterstützt, manch sinnreichen, heute allgemein angewandten Apparat erdachte, dem die Instrumenten­lehre grosse Wichtigkeit zuschreibt.

Josef Leiter war armer Eltern Kind. Er zog in seinen jungen Jahren nach Frankreich und England auf die Wanderschaft, wo dazumal die Erzeuger von Instrumenten sich des Rufes besonderer Kunstfertigkeit erfreuten. Mit reichen Kenntnissen zurückkehrend, eröffnete er an derselben Stelle, wo sich heute die Fabrik der Firma erhebt, einen kleinen Gassenladen, und betrieb daselbst mit einem Radtreiber und einem Lehrling die Erzeugung chirurgischer Behelfe. Die damaligen Meister der Chirurgie, die Professoren Schuh, Dumreicher, Dittel, Billroth, Albert u. A. wussten bald die Intelligenz und den Fleiss Leiters zu schätzen, sie bedienten sich deshalb mit Vorliebe der von ihm erfundenen und erzeugten Instrumente, und auch die fremden Aerzte, welche ihre Studien in Wien betrieben, fanden sich in der Werkstätte Leiters ein. So wurde sein Name bald nicht allein in Oesterreich, sondern auch im Auslande rühmlichst bekannt, und der Kreis seiner Kunden wuchs von Jahr zu Jahr. Naturgemäss vergrösserte sich damit auch sein Geschäft, und bereits im Jahre 1860 konnte er 16 Arbeiter beschäftigen.

Gross ist die Zahl der Apparate, welche die ärztliche Wissenschaft dem Erfindungsgeiste Leiters zu danken hat. Es sei nur erwähnt, dass er es war, der zuerst Hartgummi zur Herstellung chirurgischer Instrumente verwendete, ferner sei der Leiterschen Kühlapparate gedacht, die allgemein als ein grosser Fortschritt begrüsst wurden; vor Allem waren es aber die von ihm erfundenen endoskopischen Instrumente zur Beleuchtung menschlicher Körper­höhlen, welche das Ansehen Leiters in Fachkreisen begründeten. Dabei war Leiter stets auf die Erwerbung neuer Kenntnisse bedacht; er studirte als ausserordentlicher Hörer Professor Hyrtls Anatomie und wandte das dabei erlangte Wissen auf dem Gebiete der Orthopädie an; auch die Erzeugung künstlicher Extremitäten nahm er mit Erfolg auf, und dieser Betriebszweig nahm solche Dimensionen an, dass nun bald der tausendste Kunstfuss die Fabrik verlassen wird. Die Einführung der Antiseptik und Aseptik gab Leiter Anregung zu neuen Arbeiten, und auch hierin hat er Hervorragendes geleistet.

Bezüglich seiner technischen Einrichtung steht das Fabriksetablissement der Firma Josef Leiter gegenwärtig auf der Höhe der Zeit. Dampf und Elektricität sind den Zwecken der Fabrication dienstbar gemacht. Zwei Dampf­maschinen, von einem eingemauerten Dampfkessel gespeist, halten die verschiedenen Polirmaschinen und anderen Werks Vorrichtungen in Gang, und besorgen auch den Betrieb einer Dynamomaschine, welche sämmtliche Räumlich­keiten der Fabrik mit elektrischem Lichte versieht.

Nicht unerwähnt mag hier die langjährige Dienstzeit zahlreicher Arbeiter des Etablissements bleiben, deren jetzt 60 bei dem Unternehmen thätig sind. So gehören einer 37, einer 32, drei 31, einer 28, zwei 27, zwei 24, zwei 17, drei 16, einer 14, elf 12 Jahre dem Hause an. Auch von den früheren Beschäftigten standen viele durch lange Jahre, häufig bis an ihr Lebensende im Dienste der Firma. Diese Ständigkeit des Personals kann als ein erfreuliches Zeichen des Einvernehmens zwischen Fabriksleitung und Arbeiterschaft aufgefasst werden.

Die Leistungen Josef Leiters wurden von Sr. Majestät dem Kaiser schon im Jahre 1862 anlässlich der Londoner Ausstellung, auf welcher die Firma die chirurgische Instrumenten-Industrie Oesterreichs erfolgreich vertrat, mit dem goldenen Verdienstkreuz und der Krone gewürdigt. Von den sonstigen zahlreichen Auszeichnungen seien hier nur die Preismedaillen der Ausstellungen in München (1854), London (1862), Paris (1867), Wien (1873), der erste Preis und zwei Ehrendiplome des Internationalen medicinischen Congresses in London (1881), das Ehrendiplom der balneologischen Ausstellung in Frankfurt a. M. (1881), die silberne Ehrenmedaille der Kaiserin Augusta von der hygienischen Ausstellung in Berlin (1883) erwähnt.

Gegenwärtig liegt die Leitung der Geschäfte in den Händen des Bruders Josef Leiters, Ferdinand Leiter, und dessen Sohnes Friedrich, welche das Etablissement im Sinne des verstorbenen Gründers weiterführen. Ver­tretungen der Firma in England, Dänemark, Schweden, Norwegen, Amerika besorgen den Absatz der Erzeugnisse im Auslande.

223