JOS. POESCHLS SÖHNE

K. K. PRIV. LEDER- und MASCHINEN-RIEMENFABRIK ROHRBACH BEI LINZ UND WIEN.

ährend viele Industriezweige erst in den letzten Jahrzehnten in Oesterreich Aufnahme gefunden oder sich aus ganz bescheidenen Anfängen zu ihrer heutigen Bedeutung entwickelt haben, gehört die Leder-Industrie in jenes Gebiet wirthschaftlicher Thätigkeit, welches schon seit früher Zeit in unserem Vaterlande mit besonderem Erfolg gepflegt wurde. Der Viehreichthum des Landes bot vortreffliches Rohmaterial im Ueberfluss, die damals verwendeten Gerbstoffe waren reichlich vorhanden, mannigfache kriegerische Bewegungen, an denen das Reich betheiligt war, steigerten den gewöhnlichen Bedarf an Leder und Ledererzeugnissen fortwährend, kurz alle Umstände vereinigten sich, dem österreichischen Gerberhandwerke bereits im vorigen Jahrhunderte, ja sogar noch früher zu hoher Blüthe zu verhelfen. So kommt es, dass bereits vor hundert Jahren die Technik der Ledererzeugung im Vergleiche mit anderen Productionszweigen in Oesterreich eine ausser­ordentliche Vollkommenheit erzielt hatte, dass sie hinsichtlich der Güte der Producte keineswegs gegenüber der Jetztzeit wesentlich zurückstand und auch nahezu die gleiche Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse aufwies wie heutigen Tages. Nichtsdestoweniger ist auch die Leder-Industrie von der grossen Umwälzung, welche die in diesem Werke betrachtete Zeitperiode im gesammten Industrieleben hervorgerufen hat, nicht unberührt geblieben, und wenn hier die Wirkungen des Umschwunges weniger in der Verbesserung des Fabrikates und in der Vermehrung der Arten von Producten zum Ausdruck kommen, so treten sie in um so höheren Grade in der Vereinfachung der Erzeugungs­weise und in der gesteigerten Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe in Erscheinung.

Die Wirksamkeit der Firma Jos. Poeschls Sohn in Rohrbach, die mit ihrem Bestand weit in das vorige Jahrhundert zurückreicht, tritt bei der Betrachtung der Geschichte der österreichischen Leder-Industrie in jeder Etappe rühmlich hervor, sie ist bei vielen Verbesserungen und Vervollkommnungen, welche in diesem Industriezweige zur Geltung kamen, beispielgebend vorangegangen. So ist die Firma Poeschl unter jene Betriebe zu rechnen, welche zuerst in der Oberledererzeugung aus Kalbfellen und Rindshäuten von der in Oesterreich lange Zeit hindurch gepflegten unzweckmässigen Gerbung und unschönen Zurichtung abgiengen, auf diesem Gebiete Vorzügliches leisteten und dadurch die anderen Gerber zur Nachahmung veranlassten. Von nicht geringerer Bedeutung war das Beispiel der Firma Poeschl, als im Jahre 1854 der Eintritt Oesterreichs in den deutschen Zollverein die heimischen Gerber in eine recht kritische Lage versetzte. Bis dahin hatten die deutschen Ledersorten für den gewöhnlichen Gebrauch mit den inländischen Erzeugnissen des Zolles wegen nicht concurriren können, jetzt drangen die eichengaren Leder aus Deutschland in grossen Mengen nach Oesterreich ein und machten den im Allgemeinen minderwerthigen österreichischen Fabrikaten dieser Art empfindliche Concurrenz. Die Firma Poeschl hatte jedoch schon früher gezeigt, dass gleichwerthige Fabrikate auch im Inlande hergestellt werden konnten, denen die deutschen Producte trotz Entfallen des Zollschutzes nichts anzuhaben im Stande waren. Nun schlugen auch die übrigen Gerber den ihnen so gewiesenen Weg ein, und es gelang ihnen, die deutsche Concurrenz zu bestehen. Andererseits wusste die Firma Poeschl auch die durch günstigere Zollpositionen geschaffenen Vortheile aus­zunützen. Sie stand nämlich an der Spitze jener Betriebe, welche nach der Zollerhöhung im Jahre 1880 die Vacheledergerberei für feines Schuhwerk intensiv aufnahmen und darin grossen Erfolg erzielten. Die Maschinen- riemenfabrication wurde schon vor der erwähnten Zollerhöhung in Rohrbach betrieben und konnte nachher natur- gemäss in weitaus erhöhtem Umfang ausgeübt werden. Als im letzten Jahrzehnte in Oesterreich die Fabrication der feinen Natur- und farbigen Leder namentlich für Pferdesättel, Galanteriewaaren etc. etc. in Angriff genommen wurde, stand die Rohrbacher Fabrik auch da nicht zurück.

So hat die Firma Jos. Poeschls Söhne in Rohrbach schon in jener Epoche, als die Ledererzeugung noch in die einfachen Betriebsformen des Gerberhandwerkes gekleidet war, stets das Princip des technischen Fortschrittes hochgehalten, und auch seit der Zeit, da das Rohrbacher Unternehmen in die Reihe der modernen Fabriks­etablissements getreten ist, konnte es stets als mustergiltig innerhalb der von ihm repräsentirten Branche an­gesehen werden.

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