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stadt ein großes Freudenfest und wird von Vornehm und Gering, Mohammedanern und Christen gleich feierlich begangen. Zufällig war ich nie in Kairo anwesend, wenn der Durchstich des Kanal- dammcS geschah, und kann deshalb auch keine auf eigene Beobachtung gegründete Beschreibung der Festlichkeit geben. Mein Freund, der Herr Baron von Wrede, theilt hierüber Folgendes mit:
,,Daö Fest des Nildurchschnittes (Johm ekber cl bahhr — der Tag der Fülle des Stromes —) wird zwischen dem Ist. und 20. August oder zu der Zeit gefeiert, wenn der Nil gewöhnlich die Höhe von 16 Graden des Mekkas (Nilmesscrs) oder 21 Fuß über seinen mittleren Stand erreicht hat und eine genügende Ueber- schwemmung erwarten läßt. Während der Zeit des niederen Wasserstandes wird der erwähnte Kanal etwa zwanzig Schritte von seiner Mündung aus dem Nil durch einen Damm gesperrt, welcher am Tage des Festes durchstochen wird, daher die Benennung Tag des Nildurchbruchs oder Aöid el Khaliedj (Fest des Khaliedj). Außerhalb dieses Dammes, etwa fünf Schritte davon entfernt, wird eine sechs Fuß dicke, vier Fuß aus dem Wasser hervorragende Erdsäule errichtet. Diese Säule, welche am Tage deS Festes mit einer aus Palmcnzweigen, Aehren und Blumen verfertigten Krone geschmückt ist, heißt el Aaruhse (die Braut) und wird von dem Wasser sort- gcwaschen. Manche haben behauptet, daß diese Erdsäule jene Jungfrau darstelle, welche die alten Egypter jährlich dem Strome geopfert hätten. Es ist dies jedoch nicht wahrscheinlich, denn bei den alten Egyptern waren keine Menschenopfer gebräuchlich, wohl aber rührt der Gebrauch noch aus uralter Zeit her, und dürfte die Aaruhse einfach ein dem Nil dargebrachtes Opfer der vorzüglichsten Bodenerzeugnisse bedeuten."
„Die eigentliche Feier des Festes beginnt mit Sonnenuntergang des Tages Wafc cl Nihl (dem „vollkommenen" — Stande — des Nil) und findet auf einem an den Nil und Kanal grenzenden freien Platze Statt, von dem der in der unmittelbaren Nähe des Stromes gelegene Theil abgesperrt wird, um den dort aufgestellten Battcrieen und Feuerwerken genügenden Spielraum zu lassen. Auf dem entgegengesetzten Ufer des Kanals stehen auf einer Plattform